USA wollen Internetdienste abhören: Die große Täuschung
Die Obama-Regierung will die Kommunikationsdienste im Internet abhören. Und zwar alle. Netzaktivisten fühlen sich getäuscht. Die Wahlversprechen hatten anders geklungen.
Das Internet bringt für Polizei und Geheimdienste ganz neue Herausforderungen mit sich: Bürger können sich durch die Verwendung neuer, stark verschlüsselter Kommunikationsdienste deutlich besser vor Abhör- und Spähangriffen schützen. Was Netzbürgerrechtler und Datenschützer für zwingende technische Maßnahmen im digitalen Zeitalter halten, sehen Innenpolitiker als Sicherheitslücke an - sie würden am liebsten jede Art von Kommunikation abhören können, um nach ihrer Worten Verbrechen zu bekämpfen.
Bislang existiert für neue Internetdienste aber noch keine Pflicht, entsprechende Überwachungsschnittstellen zu implementieren - weder in den USA noch in Deutschland. Überwacht werden kann nur der gesamte Internetverkehr eines Verdächtigen, den dieser eventuell verschlüsselt. In Deutschland will man deshalb mit einer als "Bundestrojaner" bekanntgewordenen Schadsoftware Rechner von Verdächtigen knacken, um dann "an der Quelle" abhören zu können - mittels der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung, die verfassungsrechtlich sehr umstritten ist.
In den USA setzt die Obama-Regierung nun auf eine andere, ebenso extreme Maßnahme: Sie bereitet ein Gesetzespaket vor, das Abhörschnittstellen in jedem Internet-Kommunikationsdienst zur Pflicht machen würde. Wie die New York Times am Montag meldete, soll davon kein Dienst ausgenommen sein - egal ob verschlüsselte E-Mail, soziale Netzwerke wie Facebook oder Internettelefonie über Anbieter wie Skype.
Dabei soll es technisch möglich werden, Kommunikation jederzeit abzufangen und zu dekodieren. Die Forderungen kommen unter anderem vom FBI und den nationalen Sicherheitsbehörden des Landes. Laut dem Bericht will die Obama-Regierung ein entsprechendes Gesetzespaket im nächsten Jahr in den US-Kongress einbringen.
Die neue Regelung würde Überwachungsmaßnahmen weitläufig streuen. Statt an zentraler Stelle abzuhören, müssten Schlapphüte und Polizisten zunächst ermitteln, mit welcher Kommunikationstechnik ein Verdächtiger arbeitet. Dann würden sie zum jeweilen Anbieter gehen, um von dort aus mitzuhören. In den USA gelten entsprechende Regelungen für Telefon- und Datennetze schon seit mehr als 15 Jahren. Für die Möglichkeit, einzelne Dienste abzuhören, hat man beim FBI bereits einen eigenen Etat eingestellt: 2010 sind es rund zehn Millionen Dollar.
Völlig unklar ist auch noch, welche Auswirkungen das neue US-Gesetz auf ausländische Anbieter von Internet-Kommunikationsdiensten hätte. Diese könnten, wenn sie ihr Angebot in den USA bereithalten, von der Regelung genauso betroffen sein - mit allen datenschutzrechtlichen Folgen.
Bürgerrechtler kritisierten das Vorhaben massiv. James Dempsey vom Center for Democracy and Technology sagte, das Vorhaben verlange nach einem Komplettumbau des Netzes. "Die Behörden wollen die Uhr zurückdrehen und aus dem Netz wieder eine Art Telefonnetz machen."
Andere Kritiker verglichen die Pläne der Obama-Regierung mit dem Vorgehen repressiver Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, die kürzlich das E-Mail-Handy Blackberry sperrten, weil es sich durch die dortigen Polizeibehörden nicht abhören ließ.
Zudem ist Obama auch dank des offenen Internets und seiner Versprechen, sich mehr für die Freiheit des Netzes einzusetzen, gerade von jungen Leuten gewählt worden. Doch davon wird nicht mehr gesprochen. So wollte sich Obama für die Netzneutralität, also die Gleichberechtigung der Daten im Netz zugunsten auch kleiner Anbieter, einsetzen - entsprechende Gesetze fehlen noch immer, die zuständige Kommunikationsbehörde FCC mauert.
Auch Vizepräsident Joe Biden hat sich regelmäßig auf die Seite der Medienkonzerne geschlagen, die neue, harte Regelungen gegen Urheberrechtsverletzungen inklusive neuer Überwachungsmaßnahmen fordern, was Netzbürgerrechtler ablehnen.
Zuletzt waren Pläne des US-Kongresses bekannt geworden, nach denen eine Blockadeliste für Internet-Adressen eingerichtet werden soll - ähnlich der in Deutschland umstrittenen Netzsperren. Die Liste soll sowohl von Richtern als auch vom US-Justizministerium befüllt werden dürfen - mit all jenen Internet-Auftritten, die dem Staat nicht gefallen. Es wäre das erste Mal, dass die USA das Internet offen zensieren.
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