USA übergeben Bagdads "Grüne Zone": Ende einer Ära im Irak
Nach sieben Jahren übergibt das US-Militär die Kontrolle über Iraks Regierungsbezirk an die irakische Armee. Doch die Abriegelung bleibt bestehen.
Es ist neun Uhr morgens und bereits heiß wie in einer Sauna. In Reih und Glied stehen die Männer und Frauen der US-Militärpolizei auf dem Platz, die Hände an der Hosennaht, den Blick starr nach vorn gerichtet. Schwermütig weht eine Marschmelodie über den Platz, intoniert von der Militärkapelle. Nacheinander treten die Kommandanten ans Mikrofon und preisen ihre Truppe. Es sei ein Einsatz ohne Fehl und Tadel gewesen, sagt Brigadegeneral Donald J. Currier, Kommandant der 49. Militärpolizei-Brigade.
Dann lobt er die irakische Armee und Polizei, die während der Wahlen bewiesen habe, dass sie alleine für die Sicherheit sorgen können. Doch die, die Garcia so lobt, hören es nicht. Auf dem Podium sitzen einige Vertreter der ehemaligen "Koalition der Willigen" und der UN-Vertretung im Irak. Von den irakischen Honoratioren keine Spur.
Fünf Minuten vor Schluss tauchen die Iraker schließlich doch auf. Gerade noch rechtzeitig, um zu beobachten, wie die US-Einheiten ihre Standarten einrollen. Ein letztes Mal brüllen die US-Soldaten ihren Schlachtruf. Dann verschwinden Brigadegeneral Mahmud Hussein Hamza, der eigentlich als Zweiter reden sollte, und seine Kollegen so schnell, wie sie gekommen sind. Es ist das symbolische Ende einer Ära im Irak. Mit der Zeremonie am Dienstag endete die US-Kontrolle der Grünen Zone in Bagdad.
Vor sieben Jahren hatten die Amerikaner das rund siebeneinhalb Quadratkilometer große Gelände um Saddam Husseins ehemaligen Republik-Palast übernommen, um den Irakern Demokratie zu lehren. Es kam bekanntlich erst einmal anders. Nur kurz währte der Sommer 2003, als man noch ohne große Kontrollen bis zum Palast spazieren konnte. Mit jedem Anschlag wurden die Kontrollen schärfer und die Sprengschutzmauern höher. Die US-Amerikaner, Botschaften, westliche Sicherheitsfirmen und später die irakische Regierung igelten sich ein.
Die USA bauten hier die größte amerikanische Botschaft der Welt, in die sie im vergangenen Jahr einzogen. Während draußen in der Roten Zone, also dem Rest von Bagdad, der Krieg tobte, wurden hier Partys gefeiert oder politischen Intrigen geschmiedet. Surreal nannten es die einen, ein Bollwerk imperialistischer Hybris oder einen Hochsicherheitstrakt die anderen. Nur sechs Zugänge gibt es zu dem Gelände, auf dem auch mehrere tausend Iraker leben. Wer hinein will, muss nicht nur seinen Pass, sondern eine zweite Identitätskarte vorlegen. Die Kontrollen an den ehemaligen Ostblock-Grenzen waren dagegen ein Kinderspiel. Nach der Ausweiskontrolle folgen Taschenkontrolle, Body-Scan, Spürhunde und dazwischen immer wieder Ausweiskontrollen. Wer zur irakischen Regierung will, bringt es auf einer Strecke von weniger als 500 Metern gut und gerne auf 12 Checks. Mit "Badsch" oder "Badschat", vom englischen "Badge", hat die Grüne Zone den Irakern eine der wichtigsten neuen arabischen Vokabeln beschert.
Daran ändert sich auch in Zukunft nichts, nur werden die Ausweise jetzt von Iraks Regierung ausgestellt. Überhaupt ändert sich in der Praxis wenig. Sogar die Sprengschutzmauern bleiben stehen, obwohl der amtierende Ministerpräsident sie vor einem Jahr noch einreißen wollte. Ob am Ende die Demokratie im Irak Tritt fasst, wird sich vermutlich erst in vielen Jahren zeigen. Obwohl Ministerpräsident Maliki die Wahl vom März knapp verloren hat, denkt er nicht an einen Rücktritt. Er will auch die nächsten vier Jahre in der Grünen Zone regieren.
Zum Schutz der US-Botschaft und anderer Einsätze unterhalten die Amerikaner bis auf weiteres eine Basis in der Grünen Zone. So weit reicht das Vertrauen offenbar also doch nicht. Für Currier ist der Einsatz aber vorbei. Und sollte der Irak scheitern, sagt der Brigadegeneral, liege es nicht an den Sicherheitskräften, sondern an den Politikern.
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