USA machens vor, Deutschland nach: Parteien entdecken Twitter und Facebook
Mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst fangen die Kandidaten langsam an, sich mit Twitter, Youtube und Facebook zu beschäftigen. Bißchen spät, um Obamas Strategie zu adaptieren.
BERLIN dpa/taz Parteien und Spitzenpolitiker in Deutschland nehmen laut einer Studie auch im Internet Kurs auf die Bundestagswahl im Herbst. Ihre Präsenz in sozialen Netzwerken wie StudiVZ und Facebook nahm in den vergangenen Monaten zu, liegt aber immer noch auf einem eher niedrigen Niveau. "Über allem weht ein Hauch von Obamania", heißt es in der Studie Online-Agentur newthinking communications mit Blick auf den Internet-Wahlkampf des künftigen US-Präsidenten Barack Obama. Noch sei aber nicht abzusehen, ob deutsche Parteien und Politiker im Superwahljahr 2009 dessen erfolgreiche Strategie nachahmen können.
Ein kräftiges Wachstum bei den Mitgliederzahlen verzeichneten die "Gruppen" der Parteien in den vergangenen Wochen auf Facebook. In diesem aus den USA stammenden Netzwerk können Mitglieder online Freunde werben, Organisationen unterstützen und sich dabei gegenseitig über ihre Aktivitäten auf dem Laufenden halten. Im Wahlkampf kann dies ein effizientes Mittel sein, um Unterstützer zu mobilisieren. Spitzenreiter ist laut der Studie die SPD vor den Grünen und der Linkspartei. Etliche Politiker sind auch individuell mit Profilen in den Netzwerken vertreten: SPD- Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kam am Mittwoch auf 752 Unterstützer bei Facebook - für Obama sind es fast 3,7 Millionen.
Auch die Video-Plattform YouTube sei beliebt, hieß es. Sie ist weniger interaktiv, mit ihr können sich Politiker aber über das Internet direkt an die Wähler wenden. Noch eher ein Geheimtipp für deutsche Kandidaten ist laut Studie dagegen Twitter - ein Angebot, mit dem kurze Nachrichten zum Beispiel als SMS per Handy verschickt und von allen Interessierten im Internet gelesen werden können. Vor wenigen Tagen hat der hessische SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer- Gümbel Twitter für sich entdeckt: Am Mittwochmorgen begrüßte er seine Anhänger mit der Nachricht "Minus 21 Grad und ein langer Tag im Blick. Hoffentlich halten wir den Zeitplan."
"Eine eigene Facebook-Seite, ab und an bei YouTube ins Internet sprechen und vielleicht ein eigenes Blog oder ein Twitter-Account werden zur Standardausstattung aller halbwegs motivierten Kandidatinnen und Kandidaten für politische Mandate gehören", prophezeit Markus Beckedahl, einer der Autoren der Studie. Beckedahl zählt mit netzpolitik.org zu den bekanntesten Bloggern in Deutschland - und bei den deutschen Twitter-Charts auf Platz 13. Er rechnet damit, dass das Internet erst in der heißen Phase vor der Bundestagswahl intensiv als Wahlkampfinstrument genutzt wird - zu spät, um sich eine kritische Masse an Anhängern aufzubauen. "Das ist ein langfristiger Prozess", erläutert Beckedahl. In den USA hätten die Kandidaten zwei Jahre vor der Wahl damit begonnen.
Bei den Twittercharts sind bereits einige SPD-Politiker recht prominent platziert. So ist Hubertus Heil bereits auf Platz 17, Franz Müntefering immerhin auf der 51 gelandet, obwohl der ein bißchen zu beschäftigt zu sein scheint, um regelmäßig zu twittern - seit Oktober gibts von ihm keine neuen Einträge.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!