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USA geht gegen Venezuela vorTrump erhöht Druck auf Maduro

Die USA nimmt noch einen Öltanker ins Visier und rät Venezuelas Präsidenten zum Rücktritt. Experten halten ein Ende des Regimes für unwahrscheinlich.

Friedenspiraten: Hunderte Motorradfahrer fuhren am Montag durch Venezuelas Hautpstadt Caracas, um gegen die USA zu protestieren Foto: Ronald Penar/epa

US-Präsident Donald Trump rät Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro zum Rücktritt. „Ich denke, es wäre klug von ihm, das zu tun.“ So beantwortete er die Frage eines Journalisten, ob die US-Regierung mit ihrem Druck auf Venezuela Maduro zum Rücktritt zwingen wolle. „Wenn er sich hart zeigt, wird es das letzte Mal sein, dass er sich jemals hart zeigen kann“, ergänzte Trump. Wenige Stunden vorher hatte bereits US-Heimatschutzministerin Kristi Noem Maduros Rücktritt gefordert.

In den vergangenen Monaten haben die USA in der Karibik vor Venezuela das größte Arsenal an Kriegsschiffen seit Jahrzehnten aufgefahren. Seit September beschießen sie aus der Luft angebliche Drogenboote in der Karibik sowie zuletzt verstärkt im Ostpazifik. In den fast 30 Angriffen der USA sollen mittlerweile über 100 Menschen gestorben sein.

Seit Neuestem hat sich die Trump-Regierung zudem auf die Beschlagnahmung von Öltankern fokussiert. Erdöl ist die wichtigste Einnahmequelle der Regierung Maduros. Venezuela verfügt über die größten bekannten Reserven der Welt. Trump hatte eine „komplette Blockade aller sanktionierter Öltanker auf dem Weg von und nach Venezuela“ verkündet und will das beschlagnahmte Öl behalten.

Das passt zur Anfang Dezember veröffentlichten nationalen Sicherheitsstrategie, die für die westliche Hemisphäre – und dort vor allem Lateinamerika – drei Hauptziele nennt: Massenmigration stoppen, Drogenhandel bekämpfen – und den Zugang zu Märkten und Rohstoffen sichern.

US-Ölkonzerne verstaatlicht

Nach der Beschlagnahmung des ersten Tankers schrieb Trump auf seinem Onlinedienst Truth Social: Venezuela habe den USA „Öl, Land und andere Vermögenswerte“ gestohlen – und forderte die sofortige Rückgabe. Er bezieht sich damit wohl auf die Verstaatlichung des venezolanischen Ölsektors vor Jahren, welche die US-Geschäfte im Land zunichtemachte – mit Ausnahme von Chevron, das bis heute ein Joint Venture mit dem Staatskonzern betreibt und Öl legal in die USA einführen darf.

Den ersten Tanker hatten die USA am 10. Dezember beschlagnahmt. Er stand auf der US-Sanktionsliste. Einen zweiten beschlagnahmten die USA am Samstag. China, für das die Ladung bestimmt war, ‌kritisierte dies scharf. Medien berichteten zudem, dass die US-Küstenwache am Wochenende erfolglos einen dritten Tanker verfolgte. Der soll wegen angeblicher Verbindungen zu Iran und zur proiranischen libanesischen Miliz Hisbollah mit Sanktionen belegt sein.

Der venezolanische Journalist und Politologe Andrés Cañizales berichtet der taz am Telefon, dass die Menschen in Land zwar in erhöhter Alarmbereitschaft sind, offene Äußerungen von Angst oder Panik gebe es in der Bevölkerung jedoch nicht. Nach vier Monaten habe sich womöglich eine gewisse Gewöhnung eingestellt. Nur in einzelnen Bundesstaaten, wo die Gouverneure und Vertreter des Chavismus ostentativ betont hatten, dass die Benzinversorgung normal sei, habe es als Boomerangreaktion fünf Tage lang verzweifelt Benzinkäufe gegeben.

Venezuela exportiert zwar noch zu verarbeitendes Rohöl, Benzin muss es aber selbst importieren. Elizabeth Dickinson, Senior Analyst der International Crisis Group, warnte in einem CNN-Interview vor den möglichen humanitären Folgen für die breite Bevölkerung, die auf Benzin für Transport und Generatoren angewiesen sei. Das könnte kurzfristig die Maduro-Regierung sogar stärken – indem diese das verknappte Benzin nur an Regierungstreue verteile.

Dabei wollen 80 Prozent der Bevölkerung, dass Maduro die Macht abgibt, wie laut Cañizalez aus einer aktuellen Umfrage des Zentrums für politische Studien der Katholischen Universität hervorgeht. Er gehe also nicht davon aus, dass Menschen massenhaft auf die Straße gehen würden, um gegen eine US-Militärintervention zu protestieren und das Regime zu verteidigen.

Die Videos von freiwilligen Militärdrills für Jugendliche und Rentnern, die online kursieren, spiegelten demnach nicht die Stimmung im Land wider. Es gebe natürlich immer noch Menschen, die an Maduro glaubten. Besonders ältere Menschen kämen aber wahrscheinlich vor allem wegen der Aussicht auf staatliche Lebensmitteltüten zu solchen Manövern.

Dass der Chavismus bald zusammenbrechen könnte, glaubt Cañizalez jedoch nicht. Das Regime spüre den Druck der USA – aber nicht so stark, dass es Risse gäbe.

Das Problem für Maduro sei, dass er politische Optionen selbst ausgeschlossen habe. Er wolle keine freien Wahlen, keine Verhandlungen. „Derzeit scheint die einzige Chance auf einen Wandel eine Intervention der Vereinigten Staaten zu sein“, sagt Cañizalez.

Dennoch glaubt er nicht an einen US-Angriff auf Maduro, um diesen zu töten. Auch nicht an eine Bodeninvasion. Laut einer Umfrage des US-Senders CBS vom November ist auch eine Mehrheit der US-Bevölkerung dagegen. Was er sich vorstellen kann: Drohnenangriffe auf Drogenlabore in der Grenzregion mit Kolumbien – um so die ELN-Guerilla zu treffen, die mit der venezolanischen Regierung zusammenarbeite.

Wie es genau weitergehen wird? Da wagt Cañizalez keine Prognose. „Ich denke, dass Trump so lange handeln wird, bis er etwas erreicht hat, was er als Sieg betrachtet oder als solchen präsentieren kann.“ Da Trump eher ein pragmatischer Geschäftsmann sei als ein ideologischer Mensch, könnte Maduro am Ende sogar an der Macht bleiben. Etwa, wenn die venezolanische Regierung den USA eine privilegierte Position für die Ölförderung einräumt – und dabei dem Konkurrenten China den Ölhahn zudrehe.

Elizabeth Dickinson von der International Crisis Group ist besorgt wegen der Folgen, die eine Destabilisierung der Maduro-Regierung haben könnte. Dann drohe ein Machtkampf unter den bewaffneten kriminellen Gruppen im Land. Das könnte die humanitäre Krise verstärken und eine weitere Migrationswelle auslösen – bis in die USA.

Am Dienstagnachmittag (Ortszeit) berät der UN-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung über die Spannungen zwischen den USA und Venezuela. Die Regierung in Caracas hatte die Sitzung mit Unterstützung Russlands und Chinas gefordert. Zuletzt hatten Mexiko und Brasilien angeboten, zwischen USA und Venezuela zu vermitteln.

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