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USA-China-Gipfel in WashingtonEin iPod für vier Dollar

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und den USA sind eng und konfliktreich. US-Politiker fordern eine Aufwertung des Yuan, China will nicht Sündenbock sein.

Schöner Schein: Der Yuan ist nach Ansicht von US-Politikern unterbewertet. Bild: reuters

PEKING taz | Im riesigen Apple-Laden des Sanlitun-Viertels drängt sich die Kundschaft um die Holztische mit den neuesten I-Phones, Computer und I-Pads. Ein paar Schritte weiter beim Modegeschäft American Apparel ist es nicht ganz so voll, aber im Starbucks-Café sind alle Plätze besetzt. Und ein Stock tiefer im Megabox-Kino läuft der Hollywoodfilm „The Tourist“ mit Angelina Jolie.

Äonen scheinen seit jener Zeit vergangen, als der KP-Führer Deng Xiaoping 1979 erstmals in die USA reiste. Damals wurden die roten Coca-Cola-Büchsen in China noch als Symbol eines unerreichbaren Wohlstands betrachtet, und amerikanische Geschäftsfrauen brachten sich von ihrem ersten Business-Trip in die Volksrepublik einen Fächer als exotisches Souvenir mit.

Heute gehören amerikanische Marken nicht nur hier im schicken Einkaufszentrum von Peking sondern bis in die ärmlichsten Ecken des Landes zum Alltag – ebenso so wie in den USA kein Kaufhaus und keine Fabrik ohne in China gefertigte Schuhe und Elektrogeräte denkbar sind. Beim Besuch von Staats- und Parteichef Hu Jintao in Washington, der heute beginnt, wird die Wirtschaft deshalb auch ganz vorne auf der Tagesordnung stehen.

Kreditgeber China

China wird zu einem immer größeren Konkurrenten für westliche Entwicklungsorganisationen: Die Volksrepublik vergab in den vergangenen zwei Jahren mehr Kredite an Schwellen- und Entwicklungsländer als die Weltbank. Dies berichtete die Financial Times am Dienstag unter Berufung auf eigene Statistiken auf Basis öffentlicher Mitteilungen der Regierung in Peking sowie von Staatsbanken und Schuldnerländern.

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Demnach verlieh China 2009 und 2010 mindestens 110 Milliarden Dollar an Regierungen und Unternehmen aus der Dritten Welt. Die Weltbank habe in diesem Zeitraum Kredite über 100,3 Milliarden Dollar an Entwicklungsländer vergeben. Damit baut die Volksrepublik ihren weltweiten Einfluss kontinuierlich aus.

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Während die Weltbank ihre Kredite meist an die Bedingung politischer Reformen zugunsten von Wettbewerb, Transparenz und Menschenrechten knüpft, verbinden chinesische Gläubiger wie die China Development Bank, die Export-Import Bank of China oder die Bank of China ihre Geldvergabe eher mit wirtschaftlichen Interessen. Dazu zählt vor allem ein besserer Zugang zu Rohstoffen.

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So vergab China beispielsweise größere Kredite an Russland, Venezuela und Brasilien und sicherte sich im Gegenzug umfangreiche Öllieferungen. Da Entwicklungsländer die chinesischen Bedingungen offensichtlich als weniger problematisch betrachten, entscheiden sich immer mehr Regierungen gegen die Hilfe der Weltbank und für das Geld aus China. Damit hebelt die Regierung in Peking den entwicklungspolitischen Ansatz der Weltbank-Programme aus. (rtr)

China ist zweitgrößter Handelspartner der USA nach Europa. Wie eng die beiden riesigen Länder mittlerweile verflochten und aufeinander angewiesen sind, zeigen die jüngsten Daten aus Peking: Im vergangenen Jahr allein wuchs der Gesamtwert der Im- und Exporte zwischen beiden Ländern um fast 30 Prozent auf 385,34 Milliarden Dollar, davon exportierten die Amerikaner allerdings nur Güter für 102,04 Milliarden Dollar – was bedeutet, dass sie weiterhin viel mehr aus China bezogen als sie dorthin verschifften.

Dieses Ungleichgewicht hat in den vergangenen Jahren immer wieder zu Streit zwischen den Regierungen geführt. Amerikanische Politiker und Industrielle werfen den Pekingern vor, sich durch ihren künstlich billig gehaltenen Yuan (auch Renminbi genannt) unfair Exportvorteile zu sichern und damit Schuld am Verlust amerikanischer Arbeitsplätze zu tragen. US-Kongress-Abgeordnete fordern eine andere Währungspolitik und drohen mit Sanktionen gegen China.

In Peking hingegen reagieren Funktionäre zunehmend gereizt auf solche Vorwürfe - auch wenn viele chinesische Ökonomen ebenfalls der Meinung sind, dass der Yuan zu billig und die heimische Wirtschaft trotz der Wachstumszahlen um 10 Prozent aus der Balance geraten ist.

China werde zum Sündenbock gemacht, heißt es. Die Amerikaner könnten sich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass sie in vielen Branchen nicht mehr wettbewerbsfähig sind und ein kräftig aufgewerteter Yuan die verlorenen Jobs auch nicht zurückbringen würde. Dahinter stecke nur die Furcht vor der Konkurrenz einer kommenden Supermacht China. Die Kritiker vergäßen ganz, dass die Chinesen im Durchschnitt noch noch viel ärmer sind als die Amerikaner und Reformen Zeit bräuchten.

Dollar-Milliarden in Peking

Besorgt blickt Peking auf den Plan der US-Zentralbank, für 600 Milliarden Dollar Anleihen aufzulegen und damit de fakto Geld zu drucken. Das Dollarvermögen der Chinesen drohe durch Inflation abzuschmelzen.

Bis Oktober 2010 hatte die chinesische Zentralbank bereits US-Schatzpapiere im Wert von 906,80 Milliarden Dollar angehäuft. „Die Liquidität des Dollar sollte auf einem vernünftigen und stabilen Niveau gehalten werden“, forderte Präsident Hu jetzt in einem schriftlichen Interview mit der Washington Post und dem Wall Street Journal.

Bis Ende 2010 haben amerikanische Firmen 65,22 Milliarden Dollar in über 59.000 Projekte in China investiert, heißt es da: „China ist ein Profitzentrum für Unternehmen aus den USA geworden.“ Nach einer Umfrage der amerikanischen Handelskammer gaben 71 Prozent der US-Firmen an, dass sie im Jahr 2009 in China Gewinne gemacht hätten, 46 Prozent sogar überdurchschnittlich hohe.

Ein Dienstag in der China Daily veröffentlichter Artikel versuchte, die Gemüter amerikanischer Kritiker zu beruhigen und sie daran zu erinnern, wie gut es ihnen in Wahrheit mit dem China-Geschäft gehe.

Zudem habe die amerikanische Bevölkerung – „vor allem die mittleren und unteren Schichten“ – davon großen Nutzen gehabt, dass die T-Shirts und anderen Produkte aus China so billig sind. Damit konnten sich die Amerikaner Dinge leisten, die sonst für sie unerschwinglich geblieben wären. Die Inflation in den USA sei gebremst worden, zudem seien durch den Handel viele amerikanische Jobs geschaffen worden.

Das High-Tech-Embargo der USA

Außerdem, heißt es, könnten die USA ja selbst mehr dafür tun, das Handelsungleichgewicht auszutarieren: Sie müssten zum Beispiel nur ihr Verbot aufheben, gewisse High-Tech-Güter nach China zu verkaufen. Dieses Embargo war von Washington verhängt worden, damit nicht militärisch nutzbares Wissen aus den USA nach China gelangt.

Tatsächlich wird dieses Verbot durch das gewaltige Interesse amerikanischer Firmen an chinesischen Investitionen immer wieder durch Sondergenehmigungen unterhöhlt. Nach neuesten Berichten soll beim Hu-Besuch in Chicago ein neues Joint Venture zwischen dem US-Elektrogiganten GE und einem staatlichen chinesischen Luftfahrtkonzern unterzeichnet werden, um Flugzeugteile zu bauen.

Dass die Kritik an den chinesischen Handelsüberschüssen noch aus anderem Grund nicht ganz fair erscheint und so manche amerikanischen Unternehmen doch sehr viel Geld in China verdienen, belegte die China Daily noch mit einem anderen Beispiel: Das amerikanische Cato-Institut hatte 2010 unter anderem untersucht, wieviel von den 299 Dollar, die ein I-Pod in den Geschäften der USA und anderen Ländern kostet, an die chinesischen Herstellerfabriken gezahlt werden. Das Ergebnis: 4 Dollar.

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6 Kommentare

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  • D
    diamat

    An Tim R.niemand behauptet dass ein iPod 4$ "kostet", $4 wird an die Produzenten in China gezahlt, es geht nur um die Wertschöpfung in China- der Artikel ist inhaltlich richtig (zugegeben die Überschrift kann irritieren).

     

    According to a widely cited 2007 study by Greg Linden, Kenneth L. Kraemer and Jason Dedrick of the University of California, Irvine, each Apple iPod costs $150 to produce. But only about $4 of that cost is Chinese value-added. Most of the value comes from components made in other countries, including the U.S. Yet when those iPods are imported from China, where they are snapped together, the full $150 is counted as an import from China, adding to the trade deficit and inflating EPI's job-loss figures.

  • K
    Kai

    noch besser wäre es, wenn es die apple artikel gar nicht erst in die schlagzeile geschafft hätten. für den artikel völlig überflüssig, und die zugehörigen 3 zeilen im text sind in der form nur manipulativer unfug (zum vergleich: die materialkosten für das zum grossen teil baugleiche iphone 4 wurden im sommer ohne endfertigung auf ca 190$ geschätzt).

    die 4$ können sich ja nur aufs finale zusammenbauen der fertigen komponenten beziehen - nicht gerade der kostenintensivste oder anspruchsvollste produktionsabschnitt...

  • J
    Jürgen

    @Tim R.:

    Hör mal, nicht die taz sondern Forscher haben das rausgefunden. Geh dich bei ihnen beschweren.

  • I
    irgendwer

    Dass die herstellende Fabrik in China pro iPod nur umgerechnet vier Euro bekommt, kann ich mir schon vorstellen. Viel kurioser finde ich die Tatsache, dass es das taz- Titelblatt vom 28. Mai ("Der wahre Preis des iPads") unter die 30 besten des Jahres 2010 geschafft hat, die taz aber gleichzeitig ein App für diese Gerätschaft anbietet.

  • D
    Dirk

    Moin, Ihr solltet euch mal entscheiden ob nun ein iPad wie in der Überschrift oder ein iPod wie um Artikel 4$ kosten.

    Aber sonst ein interessanter Artikel.

     

     

    Gruß

     

     

    Danke für den freundlichen Hinweis, ist geändert. Weniger Dank für den weniger freundlichen Hinweis von Tim R. - die Red.

  • TR
    Tim R.

    IPad oder IPod - die taz-Redakteure wüssten den Unterschied vermutlich nicht einmal, wenn sie gerade mit ihrem Iphone surfen.

     

    Mal abgesehen das ein IPod nie und nimmer 4 Dollar in der Produktion kostet. Das ist als würde man sagen, ein in Wolfsburg gebauter VW Golf kostet in Deutschland 20.000€ aber an die Fabriken in Wolfsburg werden nur 3000€ Produktionskosten gezahlt. Das die Autoteile welche in Wolfsburg verwendet werden aus anderen Fabriken stammen können mit dem Preis ja nichts zu tun haben!