US-Truppen in Stammesgebieten: Antiterrorkampf in Pakistan

Im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan suchen US-Truppen nach Islamisten. Die Frontlinie im Antiterrorkampf verläuft jetzt durch pakistanische Stammesgebiete.

Demonstranten in Lahore. Bild: reuters

DELHI taz Die US-Kommandooperationen gegen militante Islamisten im Nordwesten des Landes haben in den vergangenen Tagen eine neue Intensität gewonnen. US-Präsident George W. Bush erklärte das Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan sogar zur "neuen Frontlinie im Kampf gegen den Terror". Und die Kandidaten für die Bush-Nachfolge, John McCain und Barack Obama, äußerten unisono, sie wollten der zunehmenden Gefahr begegnen, die von den Islamisten in Pakistan ausgeht. Laut Medienberichten soll der US-Präsident bereits im Juli grenzüberschreitende Operationen gegen die Islamisten in Pakistan genehmigt haben. Dabei soll Pakistans Regierung über solche Operationen zwar informiert, eine vorherige Erlaubnis jedoch nicht eingeholt werden, berichtete die New York Times. Die Situation in den Stammesgebieten sei "nicht zu tolerieren", sagte ein hochrangiger Beamter der Zeitung. Vergangene Woche hatte eine US-Spezialeinheit vermutlich zum ersten Mal ein pakistanisches Dorf in der Nähe der Grenze zu Afghanistan gestürmt und 15 Menschen getötet. Die meisten der Toten sollen Zivilisten gewesen sein.

Washingtons oberster Stabschef, Admiral Mike Mullen, wiederholte die Forderung, Islamisten auf beiden Seiten der afghanisch-pakistanischen Grenze anzugreifen. Die USA müssten eng mit Pakistan zusammenarbeiten, um die "Rückzugsräume" der Fanatiker zu zerstören. Afghanistans Präsident Karsai schloss sich, wie in der Vergangenheit, dieser Forderung an: Pakistan solle "die internationale Gemeinschaft beim Kampf gegen Terroristen" um Unterstützung bitten, wie es Afghanistan getan habe.

Washington verlangte von der Regierung in Islamabad wiederholt, US-Einsätze in Pakistan zu erlauben. Mitte Juni griffen US-Einheiten einen pakistanischen Grenzposten an und töteten elf pakistanische Soldaten. Nach einem Aufschrei der Regierung in Islamabad veröffentlichte die US-Armee grobkörnige Nachtsichtaufnahmen und erklärte lapidar, ihre Soldaten seien aus der Region heraus angegriffen worden und hätten "gemäß den Vorschriften" gehandelt. Die Botschaft: Pakistan sollte sich auf Linie zu Washington begeben oder würde selbst in die Schusslinie geraten. Als besonders pikant dürfte sich nun der Hinweis eines hochrangigen US-Beamten erweisen, die pakistanische Regierung habe den Angriffen hinter vorgehaltener Hand bereits zugestimmt.

Tatsächlich war Pakistans Premier Yusuf Raza Gillani erst Ende Juli zu Besuch im Weißen Haus. Und nach dem Rücktritt von Präsident Musharraf vor drei Wochen hatte Armeechef Ashfaq Kayani sich mit der Führung der US-Streitkräfte auf einem US-Flugzeugträger im Indischen Ozean getroffen. Doch ein offener Schulterschluss mit US-Militärs wäre für die Regierung in Islamabad politisch fatal. Bereits Musharrafs Zusammenarbeit mit den USA hatte in Pakistan viel Kritik hervorgerufen. Daher bemühten sich Armee und Regierung nun um Schadensbegrenzung. Armeechef Kayani sagte, Pakistans "Souveränität und territoriale Integrität" würden "um jeden Preis" verteidigt. Es gäbe keine Übereinkunft mit den Koalitionstruppen. Premier Gillani erklärte, diese Erklärung entspräche der Überzeugung der Regierung.

Washingtons Vorstoß droht nun, Erfolge der Regierung in den Stammesgebieten zunichte zu machen. In den vergangenen Monaten war es Islamabad gelungen, die Menschen in der Region gegen die häufig ausländischen Fanatiker zu mobilisieren. Mehrere Stämme vertrieben die Islamisten aus ihrem Einflussgebiet. Weitere zivile Opfer bei Einsätzen von US-Bodentruppen könnten diesen Trend wieder umkehren. SASCHA ZASTIRAL

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