US-Super Bowl 2009: Ein guter Fang
Finanzkrise hin oder her - die Super Bowl 2009 war ein Rekordevent mit neuem Rekordmeister: den Pittsburgh Steelers, die die Trophäe zum sechsten Mal gewannen.
Dass Santonio Holmes gut fangen kann, war bekannt. Dass er auch in den Zehen ein Spitzengefühl hat, war in diesem Moment nicht mehr zu erwarten. Denn Holmes und seine Pittsburgh Steelers hatten zu diesem Zeitpunkt jegliche Standhaftigkeit verloren. Die Favoriten waren nervös und zittrig geworden, sie hatten Fouls begangen, die sie sonst nur selten begehen, und mit den daraus resultierenden Strafen hatten sie die Arizona Cardinals in das Spiel zurückgeholt. 35 Sekunden vor Schluss jedoch fing Holmes einen Pass seines Quarterbacks Ben Roethlisberger, mit 98 Prozent seines Körpers außerhalb der Endzone. Aber das reicht eben für einen Touchdown. Und für den Titel des wertvollsten Spielers der Super Bowl 43.
Mit diesem Fang beginnt eine Dynastie im American Football: Die Steelers gewannen gegen die Cardinals mit 27:23 und haben damit innerhalb von drei Jahren die Dallas Cowboys und die San Francisco 49ers als Rekordmeister der National Football League (NFL) überholt. Sie zählen nun 6 aus 43.
Die letzten beiden Male war Ben Roethlisberger dabei. Der Absender des entscheidenden Passes saß eine halbe Stunde schweigend in der Kabine, auf den Boden blickend, mit Tränen in den Augen. Ab und zu schüttelte er ungläubig den Kopf, jenen Kopf, der seit dem Super-Bowl-Erfolg vor drei Jahren drei berufsbedingte Gehirnerschütterungen ertragen musste. Doch Roethlisberger zeigte in den letzten drei Spielminuten, dass sich Pittsburgh nicht immer nur auf seine Abwehr verlassen muss, um wichtige Spiele zu gewinnen.
Auch die anderen Steelers waren sichtlich erschöpft, der Außenseiter hatte ihnen alles abgerungen. James Harrison klebte noch ein silbernes Konfettistückchen von der Siegerehrung an der Backe, als er sagte: "Ich bin mehr müde als froh, ich will einfach nur noch schlafen."
Zu Recht: Der 110 Kilo schwere Abwehrspieler war zum Ende der ersten Halbzeit exakt 100 Yards zum Touchdown gelaufen, nachdem er einen Pass von Kurt Warner an der eigenen Endzone abgefangen hatte. "Als ich am Schluss am Boden lag, konnte ich nicht mehr atmen", sagte der 30-Jährige. Es war der einzige große Moment der sonst so stark spielenden Steelers-Abwehr und zudem ein neuer Super-Bowl-Rekord für einen Abwehrspieler.
Und zugleich der einzige Rekord mit Bedeutung. Zur Sicherheit reichern die NFL und die um sie rotierende Medienmaschine jedes Jahr die Super Bowl mit neuen Rekorden an, damit ja kein Spiel in Vergessenheit gerät. Die wichtigsten unwichtigen Rekorde in diesem Jahr: Die teuerste TV-Werbung (100.000 Dollar pro Sekunde), weil die Verträge schlauerweise vor der Finanzkrise ausgehandelt wurden. Der kürzeste Werbespot aller Zeiten (für genau 100.000 Dollar). Pittsburghs Cheftrainer Mike Tomlin mit 36 Jahren der jüngste erfolgreiche Super-Bowl-Trainer. Und endlich, endlich hatte sich der unverwüstliche Rock-Mythomane Bruce Springsteen breitschlagen lassen, in der Halbzeitshow aufzutreten. Der fehlte den Herren von der Football-Liga noch in ihrer Superstarsammlung.
Doch die Super Bowl 43 hat diese Rekorde gar nicht nötig, um im kollektiven Sportgedächtnis Amerikas hängen zu bleiben. Die Dramatik der letzten Minuten genügt. Bis zum Ende des dritten Viertels hatten die Pittsburgh Steelers das Spiel dominiert. Doch mit Beginn des letzten Spielviertels zeigte sich die Steelers-Abwehr ungewohnt erschöpft. Kurt Warner warf zwei Touchdownpässe zu Larry Fitzgerald, hinzu kam ein Safety für zwei Punkte dank eines Pittsburgher Fouls in der eigenen Endzone. Beinahe wäre dem Außenseiter aus Arizona die große Aufholjagd ausgerechnet gegen die beste Abwehr der gesamten Liga gelungen.
Weil das aber dank Roethlisberger nicht gelang, stand hernach der Präsident der Steelers auf dem Podest, um die Lombardi-Trophäe entgegenzunehmen. Und er verlieh der Siegerehrung mit einem einzigen Satz staatstragende Bedeutung: "Ich danke Präsident Obama und all den anderen Fans, die über die Jahre zu uns gehalten haben." Obama hatte auch ganz offiziell auf einen Steelers-Sieg gehofft, auch weil er von Rooney, eigentlich ein Republikaner, im Wahlkampf unterstützt worden war.
Vielleicht sagte Rooney das, weil er den 100 Millionen Amerikanern vor den Fernsehern noch etwas anderes mitteilen wollte: Ihr müsst nie die Hoffnung aufgeben, auch nicht in wirtschaftlich schweren Zeiten, und wenn die Lage noch so aussichtslos ist. Die Super Bowl gilt ja als der wahre große Feiertag der Amerikaner. Und an solchen Tagen darf man so etwas wohl sagen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!