US-Steuerzahler müssen bluten: Mit 700 Milliarden gegen die Krise
Die US-Regierung will einen Notfonds einrichten, um den Banken faule Kredite und Wertpapiere abzukaufen. Der Rettungsplan wird doppelt so teuer wie der Irakkrieg.
WASHINGTON taz Dass es so kurz vor Ende der Bush-Regierung noch etwas geben würde, was doppelt so teuer wie der gesamte Irak-Krieg werden würde, dass hätte in Washington vor wenigen Tagen noch niemand gedacht. Nun ist klar: Die Rettung des Finanzsystems wird die US-amerikanischen Steuerzahler mindestens 700 Milliarden US-Dollar (rund 490 Milliarden Euro) kosten. Um so viel bat die US-Regierung am Freitag den Kongress, der prompt versprach, bis Ende dieser Woche alles absegnen zu wollen. Die US-Staatsverschuldung steigt dadurch dramatisch auf bis zu 11,3 Billionen Dollar (7,8 Billionen Euro) an.
Nach den Horrorereignissen der vergangenen Woche und dem Zusammenbruch des US-Investmenthauses Lehman Brothers hofft die Finanzwelt nun auf den Rettungsfonds. Schon am Freitag reagierte die New Yorker Börse mit Kurssprüngen. Mit dem Geld will die US-Regierung den Banken faule Kredite und kriselnde Wertpapiere abkaufen. Der Plan könnte auf die größte Sanierungsaktion der US-Finanzbranche seit der Zeit der Großen Depression in den 1930er Jahren hinauslaufen.
Während US-Finanzminister Henry Paulson und Abgeordnete sowie Finanzexperten des Weißen Hauses am Wochenende unter höchstem Zeitdruck an den Details des Rettungspakets feilten, versicherte US-Präsident George W. Bush, dass das Programm trotz aller Risiken für die Steuerzahlenden "unerlässlich" sei. "Dies ist ein großes Paket, weil es ein großes Problem ist", erklärte er. Ohne den kostspieligen Eingriff drohe ein Dominoeffekt mit Jobverlusten, weiterem Verfall des Immobilienmarktes, gefährdete Pensionsfonds und ein weitestgehender Stopp der Kreditvergabe.
Unterdessen drängten US-Vertreter ihre Amtskollegen in Deutschland, Japan, Großbritannien und in anderen Ländern, ähnliche Programme aufzulegen. Der rettende Aufkauf fauler Darlehen und Kreditpapiere soll auf zwei Jahre befristet werden. Eigens eingesetzte Manager könnten die Übernahme der kriselnden Papiere in einer Art umgekehrter Auktion durchführen, berichteten US-Medien. Das heißt, die Regierung würde Papiere von denjenigen Instituten kaufen, die sie zum niedrigsten Preis anbieten. Das Gesetz soll die Regierung zudem vor juristischen Klagen schützen.
Die US-Regierung erwägt zudem auch ausländische Banken mit Niederlassungen in den USA an dem Rettungsfond teilhaben zu lassen. Unklar blieb am Wochenende jedoch, wie die Kriterien des Aufkaufs aussehen werden. Offen ist zum Beispiel, ob der Staat bereit ist, über dem Marktwert liegende Preise zu zahlen. Wenn die Regierung nur die derzeit sehr niedrigen Marktwerte zahlt, könnte US-Finanzhäusern als Preis der Rettung eine neue Welle milliardenschwerer Abschreibungen für die Wertpapiere drohen.
Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi (Demokraten) erklärte, ihre Partei werde das Vorhaben unterstützen. Es müsste aber nicht nur der Wall Street sondern auch der Bevölkerung geholfen werden. Die Demokraten setzen sich für ein weiteres Konjunkturpaket ein, was die Regierung bislang jedoch ablehnt. Außerdem forderte Pelose eine Reform der Finanzmarktregulierung.
Trotz der in Aussicht gestellten Hilfsaktion setzte die US-Investmentbank Morgan Stanley ihre Fusionsgespräche mit dem US-Finanzkonzern Wachovia am Wochenende fort. Noch ist unklar, ob Morgan Stanley unter dem Rettungsfonds nicht doch eigenständig bleiben und somit die durch die Krise erzwungenen Fusionspläne wieder auf Eis legen könnte. Würde Morgan Stanley aufgekauft, verbliebe an der Wall Street nur noch Goldmann Sachs als letzte große Inverstmentbank.
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