US-Spion freigelassen: Vergeben und vergessen
Nach 30 Jahren ist ein US-Nachrichtenoffizier aus der Haft entlassen worden. Er hatte für Israel spioniert und war zu lebenslanger US-Haft verurteilt worden.
Was die Menge des weitergegebenen Materials, die Geheimhaltungsstufe und den Schaden für die Beziehungen betreffe, „war es sicher ein bedeutender Fall“, sagt Jeffrey Richelson vom Nationalen Sicherheitsarchiv an der George-Washington-Universität. Die Entscheidung über die Freilassung traf die zuständige US-Behörde zu einem Zeitpunkt, da es zwischen beiden Staaten zu scharfen Differenzen über das jüngste Atomabkommen mit dem Iran gekommen war. Den Verdacht, dass der Schritt ein Zugeständnis an Israel sei oder mit dem Abkommen in Verbindung stehe, wiesen Vertreter der USA und Israels jedoch energisch zurück.
Pollards Zukunftspläne sind nicht genau bekannt. Seine Anwälte erklärten nach der Entscheidung über die Haftentlassung vom Juli, dass er eine Arbeitsstelle in Aussicht habe und im Großraum New York leben werde. Pollard beabsichtige, Staatschef Barack Obama um eine Begnadigung und die Erlaubnis zu bitten, umgehend nach Israel ziehen zu dürfen. Verurteilte, die auf Bewährung aus der Haft entlassen werden, benötigen laut Gesetz für Auslandsreisen fünf Jahre lang die Erlaubnis der Behörden. Das Weiße Haus erklärte dazu, Pollard habe „sehr schwere Straftaten“ begangen, und der Präsident habe „nicht die Absicht, die Bewährungsbedingungen Herrn Pollards zu ändern“.
Die Festnahme Pollards am 21. November 1985 machte international Schlagzeilen. Zuvor hatte er vergeblich versucht, in der israelischen Botschaft in Washington Asyl zu erhalten. Ein Jahr darauf bekannte er sich der Verabredung zur Spionage schuldig und wurde 1987 zu lebenslanger Haft verurteilt. Er beklagte später, dass sein Schuldeingeständnis erzwungen gewesen und das Strafmaß überzogen sei. In den 1990er Jahren verlieh Israel Pollard die Staatsbürgerschaft und erkannte ihn als israelischen Agenten an.
Anwälte des US-Justizministeriums hatten bei einer Anhörung in diesem Jahr keine Einwände gegen Pollards Freilassung. Bei der Entscheidung wurden sein Verhalten im Gefängnis und seine Prognose berücksichtigt. Gemäß dem seinerzeit verhängten Urteil kam für ihn nach 30 Jahren eine Haftaussetzung in Frage. Zwar fällt der 30. Jahrestag seiner Festnahme auf Samstag, doch kam er tatsächlich schon einen Tag früher aus dem Gefängnis in North Carolina frei. Entlassungen würden nicht an Wochenenden oder Feiertagen angesetzt, sagte ein Behördensprecher.
Freiheit als Friedensanreiz
Die israelische Regierung hatte sich seit Jahren um Pollards Freilassung bemüht, doch US-Präsidenten haben einen solchen Schritt wiederholt abgelehnt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte am Freitag, er habe das Thema in seinen Gesprächen mit der Führung aufeinanderfolgender US-Regierungen immer wieder angesprochen.
Im vergangenen Jahr stellte Washington eine vorzeitige Freilassung Pollards in Aussicht. Das Angebot war Teil eines Anreizpakets, das Israel während Friedensgesprächen mit den Palästinensern am Verhandlungstisch halten sollte. Doch die Friedensinitiative scheiterte, und Pollard blieb im Gefängnis.
Seine Unterstützer, darunter viele Israelis, sind seit langem der Ansicht, dass Pollard wegen Spionage für einen Verbündeten der USA zu hart bestraft worden sei. Er habe Informationen geliefert, die für die israelischen Sicherheitsinteressen zu einer Zeit, da das Land von seinen Nachbarn im Nahen Osten bedroht worden sei, entscheidend gewesen seien. US-Behördenvertreter hingegen kritisierten ihn als Verräter, der Israel ganze Bände geheimer Informationen weitergegeben habe, darunter solche über Techniken zur Radarstörung und über die elektronischen Fähigkeiten von Israel feindlich gesinnten Staaten wie Saudi-Arabien.
Eine Schadensanalyse der US-Regierung nach seiner Festnahme kam zu dem Schluss, dass Pollard eifrig die Gelegenheit ergriffen habe, dem israelischen Geheimdienst seine Dienste anzubieten. Nachdem er formelle Anweisungen erhalten habe, habe er alle zwei Wochen große Mengen geheimen Materials abgeliefert und dafür ein monatliches Gehalt bekommen. Er flog auf, weil ein US-Geheimdienstverantwortlicher Verdacht schöpfte. Diesem fiel auf, dass Pollard mit vielen vertraulichen Informationen befasst war, die nichts mit seinen offiziellen Themenbereichen Nordamerika und Karibik zu tun hatten.
Doch auch wenn der Fall hohe Wellen schlug: In der Öffentlichkeit ist Pollard heute kaum noch bekannt, wie Mark Zaid, Washingtoner Anwalt für Fragen der nationalen Sicherheit, sagt. „Ehrlich, ich glaube nicht, dass sich die breite Öffentlichkeit an ihn erinnert“, erklärt Zaid. „Das ist Teil der Geschichte. Es ist eine Generation her.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!