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Archiv-Artikel

US-PRÄSIDENT BUSH HAT HALBZEIT – DAS ANSEHEN DER USA IST RUINIERT Die Isolation stört ihn nicht

Dieser Tage feiert George W. Bush Bergfest im Weißen Haus. Der mächtigste Mann der Welt regiert zwei Jahre und hat es geschafft, das Ansehen seines Landes gründlich zu ruinieren. Der nicht gewählte, sondern durch Gerichtsbeschluss bestimmte Präsident isoliert sich zu Hause und weltweit.

Seine Rhetorik im Wahlkampf 2000 ließ einen moderaten Kurs zumindest nicht unmöglich erscheinen. Der selbst ernannte Konservative mit Herz wollte in Washington, wo die Atmosphäre durch die Clinton-Skandale vergiftet war, versöhnliche Töne anschlagen. Für die Außenpolitik kündigte er eine „bescheidene und demütige“ Rolle Amerikas an. Der Einsatz des Militärs sei nicht die Antwort auf jede außenpolitische Situation, sagte er damals, nur noch „wenn das US-Territorium wirklich bedroht ist“. Außerdem wollte er die Beziehungen zu den amerikanischen Nachbarn verbessern mit neuen Wirtschaftskooperationen und einer besseren Zusammenarbeit in der Kriminalitätsbekämpfung und bei Einwanderungsfragen.

Der Präsident beeilte sich zu Hause, seinen Sponsoren aus der Großindustrie neue Steuergeschenke zu machen, weichte lästige Umweltstandards auf und predigte dem Volk bei jeder Gelegenheit seine drei Gebote: kein Sex ohne Ehe, kein Alkohol, mehr Gebete. Und wagte er sich doch mal in das gefährliche und fremde internationale Terrain, dann auch nur, um alles abzulehnen, was er dort vorfand: das Kioto-Protokoll, den Strafgerichtshof und den ABM-Raketenvertrag. Der Nahostkonflikt war Bush viel zu kompliziert. Er hielt sich lieber heraus und ergriff notfalls Partei für die Israelis.

Erst der 11. September hat dem unentschlossenen und ideenlosen Bush eine Aufgabe und die Chance zur Profilierung gegeben. Er hat sie genutzt. Erfolgreich schmiedeten die USA eine internationale Koalition gegen den Terror, zerstörte die Infrastruktur von al-Qaida in Afghanistan und befreite das Land aus den Klauen eines brutalen Regimes. Als Antwort auf die Terroranschläge unterstützte die Weltgemeinschaft diesen Krieg trotz aller Probleme. Die USA genossen die Solidarität einer bis dahin ungeahnten Zahl von Staaten.

Die Zäsur kam, als Bush die „Achse des Bösen“ kreierte und zum Sturz des Diktators in Bagdad aufrief. Man kann ihm nicht vorwerfen, seit dem 11. September alles daranzusetzen, die Weiterverbreitung von gefährlichen Waffen zu stoppen, die in die Hände von Terroristen fallen können. Die harte Haltung gegenüber dem Irak ist nicht verwerflich. Doch der Umgang mit der UNO, den Inspektoren und sein Wille zum Präventivkrieg ließen in der Weltöffentlichkeit wieder das alte Bild der USA entstehen: arrogant, rücksichts- und prinzipienlos, der Weltpolizist im eigenen Interesse, der sich gern über das Völkerrecht hinwegsetzt.

Es ist nicht nur erstaunlich, in welchem Tempo, sondern auch mit welcher Reichweite Bush die Sympathien für die USA wieder verscherzt hat. Unmut über das Treiben im Weißen Haus herrscht nicht nur in Europa, auch auf dem ganzen Kontinent Amerika. Die Beziehungen zu Kanada sind eisig, aus ähnlichen Gründen wie jenseits des Atlantik. Mexiko fühlt sich verraten: Bushs einziges Interesse bislang bestand in schärferen Grenzkontrollen zum Nachbarn. Auch die Argentinienkrise ignorierte er und leistete sich in Venezuela letzten Sommer eine peinliche Offenbarung. Erst unterstützte er den 24-Stunden-Staatsstreich gegen den in Washington unbeliebten Präsidenten Hugo Chávez, um kurz darauf den Coup zu verurteilen und zu beteuern, dass er nur demokratische Veränderungen befürworte.

Auch an der Heimatfront gärt es; die Leute murren über die schlechte Wirtschaftslage, und auf Krieg hat auch keiner Lust. In der Hauptstadt rebellieren Senatoren und Abgeordnete offen gegen den konspirativen Regierungsstil ihres Präsidenten. Der Mann mag einfach keine Konsultationen. Absprachen werden im kleinsten Berater- und Regierungskreis getroffen. Informiert wird nachher über das Ergebnis. Selbst wenn es um die Frage von Krieg und Frieden geht, ist der Kongress von vielen wichtigen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Statt demokratische Spielregeln einzuhalten, gibt sich Bush lieber als entscheidungsfreudiger und kompromissloser Feldherr in spe.

Religiöser Eifer, Sendungsbewusstsein und die grob geschnitzte Sprache haben es um Bush und seine Getreuen einsam werden lassen. Es scheint ihn jedoch nicht zu stören. MICHAEL STRECK