US-Gesundheitsreform: Obama weiterhin ohne Mehrheit

Barack Obamas "Gesundheitsgipfel" ist ohne Kompromiss zu Ende gegangen. Die Republikaner bleiben bei ihrem strikten "Nein".

Die Karten sehen derzeit nicht gut aus für Barack Obamas Gesundheitsreform. Bild: ap

WASHINGTON taz | Was in anderen Industrieländern seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit ist, bleibt in den USA weiterhin eine offene Frage: die Krankenversicherung für alle. Auch nach sieben Stunden am grünen Tisch und vor laufenden TV-Kameras gab es am Donnerstag in Washington keine Annäherung zwischen Regierung und Opposition über die Gesundheitsreform. Beide Seiten hielten Fensterreden, die schon verdächtig nach Wahlkampf klangen. Doch die RepublikanerInnen blieben – trotz zahlreicher Zugeständnisse, die Präsident Barack Obama ihnen gemacht hat – bei ihrem "no".

Obama hatte zu dem Gesundheitsgipfel im Gästehaus des Weißen Hauses geladen, nachdem auf parlamentarischem Wege gar nichts mehr ging. Die Reform, die rund 31 Millionen gegenwärtig nicht versicherten Menschen in den USA zu einer Krankenversicherung verhelfen soll, ist blockiert. Zwar hat der Senat im Dezember bereits in erster Lesung zugestimmt. Doch Ende Januar eroberte bei Nachwahlen im nördlichen Bundesstaat Massachusetts überraschend ein republikanischer Politiker einen Sitz im Senat. Scott Brown hat seinen Erfolg einer gemeinsamen Kampagne von RepublikanerInnen und der rechten Bewegung "Tea Party" zu verdanken. Deren Hauptangriffsziel war die Gesundheitsreform.

Mit Browns Wahl in den Senat verloren die DemokratInnen die "Supermehrheit" von 60 zu 40 Sitzen, die nötig ist, um die Reform abzusegnen. Zugleich ging ihnen die Legitimität einer Rückendeckung durch die schweigende Mehrheit im Land verloren. Gegenwärtig ist laut Meinungsumfragen eine Mehrheit der US-AmerikanerInnen gegen die Einführung einer Krankenversicherung für alle. Aus Kostengründen.

In nur zwei Feststellungen waren beide Seiten sich beim Gesundheitsgipfel einig: Daß es in den USA zu viele Menschen gibt, die keine medizinische Versorgung haben. Und daß das Gesundheitssystem der USA zu teuer ist. Beide Missstände sind seit Jahren bekannt. Generationen von US-Präsidenten haben sich vergeblich daran abgemüht.

Bei der Frage nach dem Umgang mit den Missständen driften die Vorstellungen von DemokratInnen und RebublikanerInnen weit auseinander. Die RepublikanerInnen wehren sich gegen das, was sie als "großen Staat" bei der individuellen Gesundheitsversorgung wahrnehmen, sie wollen keine Krankenversicherungspflicht, und sind sind gegen die Kontrolle von Krankenversicherungen durch eine Behörde.

Um den Gesundheitssektor zu sanieren, würde es reichen, wenn der Missbrauch der Versicherungen durch die Versicherten schärfer verfolgt würde, sagte Republikaner Tom Coburn beim Gesundheitsgipfel.

Die DemokratInnen hingegen wollen den rein auf Gewinn ausgerichteten Gesundheitssektor einer stärkeren Kontrolle unterziehen. Sie wollen die Exzesse der (ausschließlich privaten) Versicherungen bei ihrer Preispolitik und Ausschlussbestimmungen kontrollieren. Und sie streben an, daß jeder Mensch in den USA eine Krankenversicherung bekommt.

Beim Gesundheitsgipfel schlugen leidenschaftliche Wogen hoch. Demokratinnen brachten "1.000 Menschen pro Woche, die sterben, weil sie nicht versichert sind", als Argument. RepublikanerInnen zogen gegen den "starken Staat" und die Kostenexplosion zu Felde und attackierten eine "unpopuläre Reform".

Barack Obama hat mit dem Gesundheitsgipfel versucht, in der Öffentlichkeit zu zeigen, daß er bei seiner Reform nicht mauschelt, sondern transparent agiert. Er hat öffentlich um die Kooperation der Opposition geworben. Er hat die Debatte beim "Gesundheitsgipfel" selbst moderiert und sie vielfach mit detaillierten technischen und juristischen Hinweisen begleitet.

Das weist den US-Präsidenten sowohl als Kenner der Materie, als auch als Kommunikator aus. Dennoch bleibt die Reform ein politisch heikles Unternehmen. Obama möchte das Thema möglichst schnell erledigen. Doch dazu hat er – falls die RepublikanerInnen bei ihrem "no" bleiben – nur zwei Möglichkeiten: Entweder er zieht seine Reform zurück. Oder er setzt sie mit einem Verfahrenstrick durch: Mit einer "reconciliation", wozu eine einfache Mehrheit von 51 gegen 49 Stimmen reichen würde.

Das Verfahren der "reconciliation" ist in den letzten drei Jahrzehnten 22 Mal genutzt worden – in den meisten Fällen von republikanischen Regierungen. Dieses Mal freilich wetzen die RepublikanerInnen bereits die Messer. Ihr Leitmotiv: Obama regiert mit der "reconciliation" vorbei am Mehrheitswillen. Wenige Monate vor den Mid-Term-Elections im November, ist beides riskant.

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