US-Gefangenenlager: Weg aus Guantánamo gesucht
Die Regierung von US-Präsident Obama braucht mehr Zeit, um einen Weg durch die komplizierte Rechtslage zur Schließung des umstrittenen Lagers zu finden.
Die US-Regierung verzögert die Veröffentlichung von Guantánamo-Berichten, die ursprünglich für Dienstag vorgesehen waren, meldete die Washington Post. Ein sicheres Zeichen dafür, wie komplex und schwierig der Obama-Administration der Umgang mit den verbliebenen noch rund 240 Terrorverdächtigen im Gefangenenlager erscheint. Das Ziel, das Lager auf Kuba bis Januar 2010 zu schließen, werde aber aufrechterhalten, hieße es.
Die Expertenteams aus dem Verteidigungs- und Justizministerium beantragten einen Aufschub um sechs beziehungsweise zwei Monate, teilte ein hochrangiger Regierungsvertreter mit. Die Arbeitsgruppen sollen der Regierung ihre Konzepte für neue Verhörregeln sowie Möglichkeiten der weiteren Inhaftierung und Strafverfolgung der Guantánamo-Insassen vorstellen. Grund für die Bitte um Aufschub sei vor allem die komplizierte Rechtslage, bei der es um Verhörmethoden und Haftbedingungen der "als feindliche Kämpfer" kategorisierten Insassen gehe. Obama hatte in einem symbolisch bedeutsamen Akt gleich an seinem zweiten Amtstag die Schließung des umstrittenen Militärlagers angeordnet.
Die Ausarbeitung von Vorschlägen wird in erster Linie durch massive innenpolitische Widerstände von Abgeordneten und Senatoren erschwert. Die sprachen sich in beiden Parteien mehrheitlich und vehement gegen die Aufnahme als gefährlich eingestufter Insassen in Gefängnisse auf dem Territorium der USA aus und versagten Obama die Finanzmittel für die Schließung des Lagers. Ein weiteres Problem ist die Folterfrage. Als gefährlich eingestufte Häftlinge wurden bei Verhören brutal misshandelt, was es US-Gerichten unmöglich macht, ihre Aussagen zu verwenden. Prozesse könnten daher oft nicht stattfinden, meinen Rechtsexperten.
Kein Wunder, dass Obamas Regierung vorsichtig agieren will. Die Fragen müssten "sorgfältig" geprüft werden, deuteten Regierungsvertreter an. Die Arbeitsgruppen wollten "es richtig machen" und ein Konzept auf einer soliden "gesetzlichen Grundlage" vorlegen, statt im Land für weitere Unsicherheit zu sorgen.
Seit Monaten versucht die Regierung zahlreiche Länder, darunter Deutschland, dafür zu gewinnen, Gefangene aufzunehmen. Gegenwärtig verhandele Washington unter anderem mit Saudi-Arabien über eine Aufnahme rund 100 jemenitischer Gefangener. Unterdessen forderte Human Rights Watch am Montag erneut, die US-Verhörmethoden im "Kampf gegen den Terror" lückenlos aufzuklären. Nur so könne die jetzige Regierung glaubhaft machen, dass sie die Politik von Expräsident George W. Bush wirklich beenden wolle.
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