US-„Friedensplan“ für die Ukraine: USA stiften Unfrieden
Bei einem Ukraine-Treffen in London soll ein sogenannter Friedensplan der Amerikaner vorgestellt werden. Der würde vor allem Putin helfen.

Zuckerbrot und Peitsche lautet das Motto der USA, um Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine so schnell wie möglich zu beenden. Doch die Schläge bekommt vor allem Kyjiw ab – zumindest, wenn man den jüngsten Ankündigungen von J.D. Vance folgt. Beide Seiten müssten Zugeständnisse machen, sagte der US-Vizepräsident am Mittwoch vor Journalisten in Indien, wo er sich derzeit zu einem Besuch aufhält. Die aktuelle Demarkationslinie, an der laut US-Vorstellungen der Krieg eingefroren werden soll, werde vermutlich nicht genau mit der aktuellen Frontlinie übereinstimmen, aber in ihrer Nähe verlaufen.
Die USA, sagte Vance, hätten Russland und der Ukraine ein „sehr klares Angebot“ auf dem Weg zu einem Friedensabkommen unterbreitet. „Die Zeit ist gekommen, da sie entweder Ja sagen oder die Vereinigten Staaten sich aus diesem Prozess werden zurück ziehen müssen“. Hinsichtlich der Gespräche sei er optimistisch.
Besagte Gespräche hätten am Mittwoch in London in die nächste Runde gehen sollen. Doch die USA blieben dem Treffen kurzfristig fern, ebenso die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens. Die Unterredung sei auf die Ebene hochrangiger Vertreter herabgestuft worden, hieß es. US-Außenminister Marco Rubio hatte seine Teilnahme bereits am Dienstagabend abgesagt – offiziell wegen Terminschwierigkeiten. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hatte eine andere Erklärung parat. Es sei offensichtlich nicht gelungen, die Positionen in einigen Fragen einander anzunähern. Die russische Seite sei mit den USA in Kontakt, anders als mit den Ukrainern und Europäern. Aber im Interesse einer Lösung sei Präsident Putin auch für solche Kontakte weiter offen.
Die ukrainische Delegation versuchte, sich von dem „abgespeckten Format“ in London nicht beeindrucken zu lassen. „Wir werden uns mit den amerikanischen und europäischen Gesprächspartnern treffen. Der Weg zum Frieden ist nicht einfach, aber die Ukraine war und bleibt den Friedensbemühungen verpflichtet“, sagte der Leiter des Präsidialamtes der Ukraine, Andrij Jermak. Die ukrainische Delegation beabsichtige, „einen vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand als ersten Schritt hin zu einer umfassenden Regelung und der Erreichung eines gerechten und nachhaltigen Friedens“ zu erörtern, schrieb Jermak auf seinem Telegram-Kanal.
Auf dem Tisch liegt ein sogenannter Friedensplan Washingtons mit mehreren Punkten. Darunter findet sich eine offizielle Anerkennung von Russlands Souveränität über die völkerrechtswidrig annektierte Krim sowie eine de facto-Anerkennung der teilweisen Besatzung der Gebiete Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja an der derzeitigen Frontlinie. Desweiteren winken eine Aufhebung der US-Sanktionen, die seit der Krim-Annexion 2014 gegen Russland verhängt wurden sowie eine Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Washington und Moskau.
Der Ukraine werden, laut Informationen des ukrainischen Webportals Novoje vremja, Sicherheitsgarantien zugestanden, um deren Einhaltung sich Truppen europäischer Länder kümmern sollen. Über eine Beteiligung der USA schweigt sich das Dokument aus. Dasselbe gilt auch für die Finanzierung von Entschädigungen und die Unterstützung des Wiederaufbaus in der Ukraine. Immerhin: Die Ukraine soll ein überschaubares Gebiet der Region Charkiw im Osten des Landes, das russische Truppen erobert hatten, wieder zurück bekommen.
Ukraine: Offen für Verhandlungen
Bislang beteuert die ukrainische Seite immer noch ihre Offenheit für Verhandlungen, auch mit Wladimir Putin. Doch was den Friedenplan angeht, fand der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag klare Worte. „Die Ukraine wird die Besatzung der Krim nicht anerkennen. Das ist unser Territorium“, sagte er vor Journalisten in Kyjiw.
Ukrainische Kommentatoren sind grundsätzlich skeptisch, was die Bereitschaft Moskaus zu einem Waffenstillstand angeht. „Falls irgendjemand hofft, dass die russischen Besatzer einem ‚Waffenstillstand‘ und einer Reduzierung der Intensität militärischer Aktionen zustimmen, so ist das reine Fantasie, nichts weiter“, schreibt der Militärexperte Aleksandr Kowalenko in einem Beitrag für das ukrainische Webportal focus.ua. In der vergangenen Woche hätten fast alle russischen Kommandeure die Anweisung erhalten, ihre Offensiven zu intensivieren.
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