US-Finanzsektor: Obama geht Banken an den Kragen
Konkret sind die Vorschläge noch nicht, doch Experten begrüßen Obamas Pläne zur Banken-Regulierung. Ökonomen kritisieren, dass in Europa solche Ideen als zu links gelten.
So radikal manchen Barack Obamas Bankenpläne auch klingen mögen - nicht ein linker, sondern ein ausgewiesen konservativer Ökonom hat dem US-Präsidenten die verschärften Handelsregeln für Großbanken ausgearbeitet. Paul Volcker, der in den 1980er-Jahren unter Ronald Reagan Notenbankchef war, gilt keineswegs als wagemutig oder gar bankenfeindlich. Selbst in Wall-Street-Kreisen genießt er hohes Ansehen. Volcker hat nun vor allem die allzu risikobereiten Banker aus dem Investmentbanking im Visier.
US-Präsident Barack Obama hatte am Donnerstag angekündigt, den Eigenhandel der Geschäftsbanken zu beschneiden. De facto werden ihnen damit sämtliche risikoreichen Geschäfte zur Gewinnmaximierung verboten. Diese gelten als Auslöser der Finanzkrise.
Die Ankündigung seiner Pläne löste bei Ökonomen unterschiedliche Reaktionen aus. Henrik Enderlein von der Hertie School of Governance begrüßte Obamas Vorstoß. "Es ist eine vernünftige Reaktion auf die Bankenkrise und das Problem, dass Banken zu groß geworden sind", sagte der Professor für politische Ökonomie. "Banken dürfen nicht die Steuerzahler in Geiselhaft nehmen." Und auch der linke Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman hält die Initiative des Weißen Hauses für "okay als Teil einer breit angelegten Finanzmarktreform". So wie Krugman glaubt jedoch auch Wolfgang Gerke, Professor für Banken- und Börsenwesen, nicht, dass die Trennung zwischen Investment- und Geschäftsbanken das Problem löst. "Wichtiger wäre es, dafür zu sorgen, dass Banken weltweit ihre Rücklagen verbessern", so Gerke.
Henrik Enderlein hält eine völlige Trennung denn auch für nicht sinnvoll. Eine Geschäftsbank müsse heute die Möglichkeit haben, sich zur Absicherung vor Marktschwankungen in den Anlagemärkten zu engagieren, so Enderlein. Er plädiert für ein "limitiertes Engagement", indem etwa nur ein bestimmter Teil der Bilanzsumme einer Geschäftsbank für Investmentgeschäfte aufgebracht werden darf.
Was die Frage der Umsetzbarkeit betrifft, gehen die Einschätzungen auseinander. Volkswirt Sebastian Dullien geht davon aus, dass Obamas Vorschläge nicht in dieser Form umgesetzt werden. Enderlein hingegen sieht Chancen. Zwar werde sich in Washington eine starke Gegenwehr formieren, die enormen Druck auf die Kongressabgeordneten ausüben dürfte; aber wenn der politische Wille da sei, führe die sehr direkte Demokratie in den USA dazu, dass die Abgeordneten vor allem gegenüber ihren Wahlkreisen rechenschaftspflichtig seien, so Enderlein. Derzeit würde sich nicht einmal ein Republikaner hinstellen und behaupten, die Banken könnten so weitermachen wie bisher.
Zustimmung erhielt Obama vom britischen Premierminister. Gordon Brown sei sehr zufrieden mit den Vorschlägen, sagte sein Sprecher. Sobald Einzelheiten bekannt würden, werde sich Großbritannien damit beschäftigen. Auch die Bundesregierung begrüßte Obamas Vorstoß. Die Initiative des US-Präsidenten sei ein hilfreicher Impuls für die Reform der Finanzmärkte, betonte das Finanzministerium, wies jedoch zugleich darauf hin, dass die Vorschläge vor allem auf das US-Bankensystem abzielten. "Aber wir sind offen dafür, sie auch im Rahmen der internationalen Diskussion bei uns zu würdigen", sagte Ministeriumssprecher Michael Offer. Er verwies darauf, dass es zu früh sei, darüber zu spekulieren, ob so weitreichende Schritte auch für Deutschland infrage kämen.
Genau das kritisiert Ökonom Enderlein: Obama sei viel weiter als die europäischen Regierungen und rede über Dinge, "die in Deutschland nur im extrem linken Spektrum" diskutiert würden. "Das ist ein Armutszeugnis für die Diskussionen in der Bundesrepublik und den anderen europäischen Ländern." Er erwartet von der Bundesregierung, dass sie Obamas Ankündigungen dazu nutzt, ihre Hausaufgaben zu machen und dafür zu sorgen, dass solche Regeln auch in Europa umgesetzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?