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URDRÜs KOLUMNELili Marleen und die Pharisäer

■ Ulrich Reineking-Drügemöllers Text as Text can

Noch im vergangenen Jahr ergriff CDU-Fraktionschef Peter Kudella die Initiative und forderte die Umbenennung des Bahnhofsvorplatzes in „Platz der Deutschen Einheit“. Angesichts der Tatsache, daß im dort residierenden Berber-Milieu der Einigungsprozeß besonders weit fortgeschritten ist, sicher keine schlechte Idee – alternativ aber sollte auch über die Helenenstraße als „Straße der Vereinigung“ nachgedacht werden: Zum einen würde damit der Verfassungsrang der ganz und gar reinen Marktwirtschaft unterstrichen, und zum anderen könnte dies die Karnevalisten in und unter uns ein bißchen dafür entschädigen, daß der Golfkrieg womöglich sogar die Absetzung von „Mainz bleibt Mainz“ und anderen Kalauerparaden im Fernsehprogramm zur Folge hat. Immerhin kündigten die Spitzenverbände des närrischen Frohsinns bereits an, es werde keine Rosenmontagszüge geben, „wenn im Nahen Osten täglich Tausende sterben“. Helau, Alaaf und Horrido!

Ausverkauft sind in Oldenburg alle Schallplattenaufnahmen von Lili Marleen mit Lale Andersen – schließlich weiß frau auch heute, wie die tapfere kleine Soldatenbraut stilecht um ihren Lieblings- Landser bangt. Torsten und Jan und Maikel und Pit, die haben Bärte, die kämpfen mit ... aber der Alpha, der rollt!

Zur Erinnerung: Der Demonstrationsweg gegen den Golfkrieg setzt sich morgen um 11h ab Ökomarkt (!) Steintor (Berliner Straße) in Bewegung. Die Kundgebung soll dann „5 vor 12“ auf dem Marktplatz beginnen, doch wird es allen Erfahrungen entsprechend wohl eher „5 nach 12“ werden.

Die Pharisäer und Schriftgelehrten aber standen auf im Lande und bezichtigten Lothar Späth der Nähe zur Korruption, wo dieser schwäbische Hausvater doch lediglich das Beste für Familie und Ländle wollte. Einfaltspinselige Nachahmungstäter führen diese Kampagne nunmehr in aller Gedankenlosigkeit fort gegen Bürgermeister Wedeklaus: Leichtfertig wird so das Kulturgut der berechnenden Freundlichkeit aufs Spiel gesetzt, das für die soziale Interaktion der Spezies Mensch genauso bedeutsam ist wie die Boy- oder Girl-Windel für die Fans von David Hasselhoff. Das kleine bißchen Korruption ist es doch, was die Entscheidungsträger dieser Welt so menschlich-nahe und berechenbar macht. Wer je „Casablanca“ gesehen hat (und wer hätte das nicht?), der weiß, daß die Prinzipienreiter das Problem sind und nicht die Bakschisch-Interessenten. Zu fordern wäre lediglich (schon um des sozialen Friedens willen), daß auch Minderbemittelte staatliche Zuschüsse beantragen können, um ihrerseits am Gesellschaftsspiel des Nehmens und Gebens teilnehmen zu dürfen. (Außerdem sind manche milden Gaben sauer verdient – was meinen Sie, wieviel dämliche Witze aus cognac-rauher Kehle sich mancher Politiker anhören muß, bis ihm irgendein Automobilmanager dann endlich mit herablassender Jovialität den guten Stern am Urlaubsort zusichert?! Dabei hat der Wohltäter nicht einmal das Reifezeugnis und vergißt bei Privatbesuchen grundsätzlich, die Klobrille hochzuklappen. Und den Kindern bringt er nie Überraschungseier mit. Der nicht!)

Vielleicht gibt es unter dem lesenden Publikum auch Video-Fans, die über eine möglichst vollständige Aufzeichnung der Trauerfeierlichkeiten für Johannes mit den Drei Herzen verfügen. Der Schreiber dieser Zeilen wäre daran sehr interessiert und bietet im Tausch ein Catch-Video vom letzten Weltmeisterschaftskampf zwischen Rambo und Bullpower oder auch ein gemeinsames Kohl & Pinkel-Essen im Landgasthof von Johann Schnakenberg in Oldendorf an. Sachdienliche Hinweise bitte unter Chiffre „Bayerns Gloria“ an die taz Bremen.

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