: UNTERM STRICH
Der diesjährige Friedenspreis des deutschen Buchhandels ist gestern in der Frankfurter Paulskirche dem Übersetzer, Herausgeber, Essayisten und Kritiker Karl Dedecius verliehen worden, der sich besonders durch seine Übersetzungen aus der polnischen Literatur einen Namen gemacht hat. In seiner Laudatio hob Heinrich Olschowsky, Slawist an der Berliner Humboldt-Universität, die friedensstiftende Rolle des Übersetzers hervor, der über den künstlerischen Eigenwert seiner Arbeit hinaus zur Verständigung zwischen den Menschen und Völkern beitrage. Als Deutscher 1921 in Lodz geboren, zweisprachig in einer toleranten Umwelt aufgewachsen, sei Karl Dedecius geradezu prädestiniert gewesen, als Vermittler zwischen Polen und Deutschen zu wirken. Menschen wie Dedecius hätten dazu beigetragen, daß die Andersdenkenden in der ehemaligen DDR mit den Ideen Gleichgesinnter in Polen in Berührung kamen, aus denen sie Hoffnung und Kraft für ihre eigene Revolution geschöpft hätten, sagte Olschowsky. Dedecius gründete auch das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt. In seiner Dankesrede kritisierte Dedecius den gedankenlosen Umgang mit der deutschen Sprache im Alltag, die nach wie vor von „Relikten des Frontkämpferjargons“ durchsetzt sei. Er wünsche sich ein „Wörterbuch des Friedens“ als positives Gegenstück zu dem nach dem Zweiten Weltkrieg erstellten „Wörterbuch des Unmenschen“, um die Sensibilität der Menschen für ihre Sprache zu wecken, denn Worte könnten schließlich ungeahnte Sprengkraft in sich bergen. Als Beispiel nannte er die Parole „Wir sind das Volk“. Wichtig sei es, das Spezifische, historisch Andere der polnischen Kultur zu entdecken und zu verstehen, daß die sogenannten kleineren Literaturen den großen auch etwas zu sagen hätten. Dedecius regte in diesem Zusammenhang die Gründung einer Europa-Akademie in Krakow, Prag oder Budapest an.
Unter dem Titel „Die große Illusion“ hat das Potsdamer Filmmuseum eine Ausstellung von Filmdokumenten aus den vergangenen 40 DDR-Jahren eröffnet. Vielfach werden Ereignisse von 1949 denen vom vergangenen Herbst in Ton und Bild gegenübergestellt. „Es soll eine Kneippkur für die Idealisten von damals und heute sein“, so Direktorin Dalichow.
Mit einem Freispruch in allen Punkten endete am Freitag in Cincinnati der Mapplethorpe-Prozeß. Das städtische Museum für Gegenwartskunst und sein Direktor Dennis Barrie wurden von dem Vorwurf freigesprochen, Obszönität verbreitet zu haben, als sie im April eine Ausstellung mit Bildern des 1989 an Aids gestorbenen Fotografen Robert Mapplethorpe veranstalteten. Barrie hätte zu einem Jahr Gefängnis und 2.000 Dollar Geldstrafe, das Museum zu einer Geldbuße von 10.000 Dollar verurteilt werden können. Die aus vier Frauen und vier Männern bestehende Jury beriet nur zwei Stunden, bevor sie das „Nicht schuldig“ verkündete. Wie Zeitungen berichteten, lagen sich die Anhänger des Museums anschließend mit Freudentränen in den Armen. Gegen den Freispruch ist keine Berufung der Staatsanwaltschaft möglich.
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