: UNTERM STRICH
Am 3. Januar 1991 wird in der Galerie Helander in Palm Beach, Florida, USA, eine Ausstellung mit bisher unveröffentlichten Fotos von Marilyn Monroe eröffnet. Marilyn Monroe war neunzehn Jahre alt, als diese Fotos aufgenommen wurden. Die Fotos zeigen sie — so berichtet der 'Corriere della Sera‘, dem wir die Meldung entnehmen — als eine zarte und lächelnde Brünette mit sehr hellem Teint in Shorts und Badeanzug. Die Fotos wurden von David Conover gemacht, einem offiziellen Fotografen der US-Army, der damals übrigens dem Befehl von Captain Ronald Reagan unterstand. Er machte die Fotos im Auftrag von Reagan für die amerikanische Armee-Zeitschrift 'Stars and Stripes‘ im Jahre 1945. Die Fotos sollten Frauen zeigen, die sich in der Heimat an den Kriegsanstrengungen beteiligt hatten. Norma Jean Dougherty, die spätere Marilyn Monroe, war damals Fließbandarbeiterin in einem Rüstungsbetrieb. Conover war so begeistert von der Schönheit dieser Arbeiterin, daß er bei seinem Chef einen zweiwöchigen Urlaub beantragte und bekam, um weitere Fotositzungen mit ihr zu machen. Zum großen Teil sind Conovers Fotos längst bekannt. Die 51 bei Helander gezeigten Fotos aber sind bisher noch nie gezeigt worden. Man kann sie käuflich erwerben. Von jedem Foto werden 350 Kopien im Format von 50 mal 60 Zentimetern gezogen und zum Preis von 2.500 Dollar angeboten.
In der amerikanischen Fernsehshow „Nightline“ hat sich Madonna letzte Woche zu dem Eklat um das Video zu ihrer neuen Single „Justify my Love“ geäußert, das selbst der relativ freizügige Musiksender MTV nicht zu senden wagt. „Ich feiere in dem Video die sexuellen Fantasien eines Paars und fordere die beiden auf, ehrlich und offen über alles zu sprechen. Sexualität ist für die Amerikaner etwas Obszönes, das sie am liebsten unter den Teppich kehren würden. Über Probleme wie das Aids-Drama oder minderjährige Mütter möchten sie einfach hinwegsehen. Meine Kunst ist sozial geprägt, denn sie eröffnet eine Debatte über Sexualität und zwingt die Eltern, auf unbequeme Fragen ihrer Kinder zu antworten.“ Madonna hat sich in dieser Talkshow auch über „das gefährliche konservative Klima der Zensur in Amerika“ beklagt. „Ich bin in dem Video angezogen wie ein Sexpüppchen, ein typisches Chauvi-Sexobjekt. Aber ich folge darin meinen Fantasien. Ich selbst erfinde und verwirkliche sie, meine Karriere und mein Leben sind allein meine Sache, das habe ich der Welt immer klargemacht. Ist das nicht das Ziel des Feminismus?“
Das Video ist von Jean-Baptiste Mondino gedreht worden, der auch schon Madonnas letztes Video und Neneh Cherrys Video im Anti-Aids-Projekt „Red, Hot and Blue“ gemacht hat. Es zeigt Madonna in einem heruntergekommenen Pariser Hotel, das wie ein Bordell aussieht. Dort vergnügt sie sich zunächst mit einem muskulösen, tätowierten und insgesamt Stallone-ähnlichen Liebhaber, dann mit einer Liebhaberin. Dann werden in mehr oder weniger offenen Bildern gleichgeschlechtliche und heterosexuelle Paare gezeigt, die eine Orgie feiern. „Arm ist der Mensch“, sagte Madonna abschließend in der Talkshow, „der sich seine Vergnügen von anderen vorschreiben läßt.“
Der Macher von Milli Vanilli, Frank Farian, hat in einem Interview mit der Zürcher 'Weltwoche‘ begründet, warum er die beiden Hampelmänner, die auf den Videos des Projekts zwar die Sänger abgaben, aber nie wirklich gesungen haben, hat auffliegen lassen: „Die zwei Jungs haben über einen Anwalt den Anspruch erhoben, auf der nächsten Platte selbst zu singen. Und das können sie eben nicht.“ Als einen Skandal will er die Geschichte nicht sehen: „Es sind Illusionen, die die Musikindustrie verkauft. Audrey Hepburn hat in ,My Fair Lady‘ auch keinen Ton selbst gesungen. Und selbst der Hintern von Julia Roberts im Filmrenner ,Pretty Woman‘ ist nicht echt. That's entertainment. Dafür gab's auch einen Grammy.“ Auf die Frage, ob er solche Tendenzen nicht unheilvoll finde, antwortet Farian: „Das ist nun mal der Rock'n'Roll der neunziger Jahre. Der Rock'n'Roll der Fünfziger ist schon lange tot. Ohne Playback wäre das ganze aufwendige ,visual entertainment‘ gar nicht möglich.“ Farian gibt den Medien, die sich jetzt so empören, eine Mitverantwortung für die Entwicklung.
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