: UNO setzt Reparaturarbeiten in Sarajevo aus
■ Karadžić will Großserbien, Tudjman Großkroatien / Stellungen um Sarajevo werden ausgebaut / Owen und Stoltenberg zu „nützlichen Gesprächen“ in Zagreb
Wien/Sarajevo (taz) – Die UNO-Friedenstruppen haben gestern morgen alle Reparaturen und Wartungsarbeiten in der belagerten bosnischen Hauptstadt ausgesetzt. Damit soll die Rückgabe eines Schützenpanzers erzwungen werden, der am Samstag von einer muslimischen Miliz gestohlen worden war. In einem Kommentar von Radio Sarajevo hieß es, die UNO- Truppen hätten die Bevölkerung der Stadt „als Geisel genommen“.
Nachdem der kroatische Präsident Franjo Tudjman letzte Woche erklärt hatte, Bosnien habe als Staat nie wirklich existiert, ließ gestern auch der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić die Katze aus dem Sack. In den Belgrader Zeitungen wurde der ehemalige Psychiater mit den Worten zitiert: „Unser Ziel ist die Vereinigung aller Serben in einem einzigen Staat.“
Zagreb soll also die Hauptstadt Großkroatiens werden und Belgrad Regierungssitz des großserbischen Reiches. Auf welche Größe dann Bosnien zusammenschrumpfen wird, machen beide Seiten anscheinend vom weiteren Verlauf des Krieges abhängig. Sicher ist, daß die serbische und kroatische Kriegspartei sich nach der Ablehnung des letzten Genfer Friedensplanes durch das muslimisch dominierte bosnische Parlament Ende September an keine der vorhergehenden internationalen Abmachungen mehr gebunden fühlen.
Die Drohung der USA vom Montag, serbische Stellungen um die bosnische Hauptstadt herum anzugreifen, sollte Sarajevo erneut „stranguliert“ werden, verhallten also ungehört. Nach bosnischen Radioberichten bauen die Karadžić-Truppen gar ihre Stellungen in den umliegenden Bergen vor allem mit schweren Waffen aus. Auch die Enklaven Žepa und Goražde werden erneut angegriffen. Zudem setzten sich gestern starke serbische Truppenverbände in Richtung Adria in Bewegung, wodurch dort möglicherweise bald ein neuer Waffengang ins exjugoslawische Haus steht – diesmal zwischen bosnischen Serben und bosnischen Kroaten. In den Interviews mit Karadžić hatte dieser von Zagreb den Küstenabschnitt von der montenegrinischen Grenze bis zur Halbinsel Peljesac, wenige Kilometer nördlich von Dubrovnik gefordert.
Angesichts der Gefahr einer Neuauflage des serbisch-kroatischen Krieges versuchten die beiden internationalen Unterhändler David Owen und Thorvald Stoltenberg gestern in Zagreb zu vermitteln. Ob das Duo Fortschritte erzielte, war bis Redaktionsschluß noch nicht bekannt. Es hieß lediglich, die Gespräche mit Präsident Tudjman seien „sehr interessant und nützlich“ gewesen. Karl Gersuny
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen