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UNO fordert Nato-Luftangriffe an

■ Karadzic-Serben greifen erneut das Flüchtlingslager Zivinice mit Raketenwerfern an. Bosnischer Präsident Izetbegovic wirft Serben "blanken Terrorismus" vor. Straße Sarajevo-Gorazde frei

Sarajevo/Brüssel (AFP) – Die UN-Schutztruppe (Unprofor) in Sarajevo hat nach erneuten Angriffen der Karadžić-Serben auf das bosnische Flüchtlingslager Zivinice bei Tuzla gestern Nato-Luftangriffe angefordert. Das sagten Sprecher der Nato und UNO übereinstimmend in Brüssel und Sarajevo. Die Anforderung sei gestern um 8.30 Uhr übermittelt worden, sagte UN-Sprecherin Myriam Sochacki. Bisher sei es den Flugzeugen jedoch wegen schlechten Wetters noch nicht gelungen, ihr Ziel auszumachen. Der Nato-Vertreter sagte, die Flugzeuge seien seit 13.30 Uhr im Einsatz.

Die Nato in Neapel hatte gestern erklärt: „Wenn die Vereinten Nationen unseren Einsatz fordern, wenn sie insbesondere die Bombardierung serbisch-bosnischer Stellungen verlangen, machen wir das sofort.“

Gestern vormittag hatten die Karadžić-Serben erneut das Flüchtlingslager Zivinice bei Tuzla unter Beschuß genommen. Dabei starben mindestens zwei Zivilisten.

Bei serbischen Angriffen waren am Sonntag nach jüngsten Angaben mindestens 14 Menschen getötet worden, unter ihnen neun Kinder und ein Baby. In der Stadt Tesanjka bei Doboj waren einem Arzt zufolge bei Luftangriffen fünf Kinder getötet und etwa 50 weitere Menschen verletzt worden. Bei den Angriffen auf das Flüchtlingslager Zivinice waren neun Menschen ums Leben gekommen und etwa 50 weitere waren verletzt worden. Die Serben hatten hier Splitterbomben eingesetzt. Der französische Außenminister Hervé de Charette hatte „die serbischen Luftangriffe“ in Bosnien- Herzegowina am Sonntag abend aufs schärfste verurteilt.

Der Chirurg Sefik Hasagić hatte in Tesanjka mitgeteilt, Flugzeuge hätten am Sonntag mehrfach zivile Ziele in der Stadt angegriffen. Von den etwa 50 Verletzten seien etwa 90 Prozent Kinder. Zuvor hatte die kroatische Nachrichtenagentur Hina berichtet, serbische Flugzeuge hätten am Sonntag Splitterbomben auf kroatisch bewohnte Dörfer im Usora-Tal bei Doboj abgeworfen. Dabei seien Dutzende Zivilisten getötet oder verletzt worden, meldete Hina unter Berufung auf kroatische Militärs. Mit Luftangriffen wollten offenbar „einige auf serbischer Seite“ den Friedensprozeß sabotieren, sagte de Charette im Fernsehsender FR 3. UN-Beobachter hatten über Nordwestbosnien am Sonntag ein Flugzeug gesichtet.

Der bosnische Präsident Alija Izetbegović nannte den Angriff auf das Flüchtlingslager am Sonntag abend ein „Massaker“, das aber die geplante Waffenruhe nicht gefährden werde und verurteilte ihn als „blanken Terrorismus“. Der bosnische Ministerpräsident Haris Silajdžić drohte wegen des Angriffs damit, die geplanten Friedensgespräche zu verschieben.

In der zentralbosnischen Stadt Travnik trafen am Sonntag abend nach Angaben des bosnischen Fernsehens 1.000 bosnische Muslime ein, die aus den serbisch kontrollierten Orten Sanski Most, Prijedor, Bosanski Novi und Banja Luka im Norden des Landes vertrieben worden waren. Hilfsorganisationen hatten bereits am Samstag von fast 600 Vertreibungen berichtet. Gestern passierte erstmals seit einem Jahr wieder ein UN- Konvoi die bisher von den Karadžić-Serben blockierte Strecke Sarajevo–Goražde.

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