UNO-Resolution zur Anwendung von Gewalt gegen Irak: USA erkaufen sich weltweites Wohlverhalten
■ Bis zuletzt waren am Donnerstag im Vorfeld der Sitzung des UN-Sicherheitsrates US-Diplomaten um einen weitestgehend einheitlichen Segen der Völkergemeinschaft für ihr Wüstenabenteuer bemüht. Der Irak wertete die Entschließung schon vor der Verabschiedung als Kriegserklärung.
Vierzig Jahre nach dem von der UNO legitimierten Beginn des Korea-Krieges werden die Vereinten Nationen am Donnerstag nachmittag aller Voraussicht nach erneut für den Einsatz militärischer Mittel stimmen, diesmal gegen den Irak, falls sich Saddam Hussein nicht bis zum 15. Januar aus dem besetzten Kuwait zurückzieht. Nach heftiger diplomatischer Werbung der USA, nach zahlreichen materiellen und politischen Belohnungen für Freunde wie Ex-Feinde, dürfte an der Verabschiedung dieser zwölften UNO-Resolution im Zusammenhang mit dem Konflikt am Persischen Golf kein Zweifel mehr bestehen. China, das als eines der fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats über ein Vetorecht verfügt, wird sich vermutlich der Stimme enthalten, wenn nicht gar am Ende für die Resolution stimmen.
Bei ihrer Lobbyarbeit für das Zustandekommen der Resolution war der Bush-Administration so ziemlich jedes diplomatische Mittel recht und kaum ein politischer Preis zu hoch. Nachdem sich George Bush in der vergangenen Woche schon lächelnd mit dem ehemaligen syrischen Erzfeind Assad gezeigt hatte, traf Außenminister James Baker am Mittwoch zum ersten Mal seit 31 Jahren mit seinem kubanischen Gegenüber Isidoro Malmierca zusammen. Der jedoch erklärte ihm unverblümt, der vorliegende Resolutionstext sei für Kuba „unakzeptabel“.
Zum ersten Mal seit 17 Jahren traf Baker in New York auch mit einem Vertreter der äthiopischen Regierung zusammen — mit größerem Erfolg, wie verlautet. Auch Kolumbien ergab sich in der Hoffnung auf bessere Handelsbeziehungen den amerikanischen Abstimmungswünschen.
Bushs Belohnung für Chinas Wohlverhalten
Den größten Preis für wohlwollendes Verhalten dürfte sich allerdings China verdient haben. Baker lud den chinesischen Außenminister Quichen Qian für Freitag nach Washington ein. China versprach als Gegenleistung eine Stimmenthaltung. Sollten sich die Chinesen bis zum Donnerstag abend sogar noch zu einem Votum für die Anti-Irak-Resolution aufraffen, winkt ihrem Außenminister am Freitag in Washington sogar eine Audienz mit dem Präsidenten — und damit die symbolische Beinahe- Normalisierung im Verhältnis zu den USA nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989.
Und noch einen Erfolg konnten die durch die UNO-Flure eilenden US-Unterhändler am Mittwoch in New York erzielen: die Vertagung einer von den Unterstützerländern der PLO geplanten Resolution zur Behandlung der Palästinenser in den besetzten Gebieten. Die unter anderem von Kuba und dem Jemen vorgeschlagene Resolution fordert die Einberufung einer internationalen Konferenz in Genf sowie eine UNO- Aufsicht über die Behandlung der Palästinenser in der Westbank und dem Gaza-Streifen.
Weit größere Probleme mit dem Senat
Die USA hatten die Debatte über eine solche Resolution mit aller Macht verschieben wollen, um dadurch eine Ablenkung der internationalen Öffentlichkeit von der Bedrohung durch Saddam Hussein zu verhindern. Die Bush-Administration fürchtete darüber hinaus im Falle ihres Vetos dieser Resolution eine politisch schädliche Gegenreaktion ihrer neuen Verbündeten im Nahen Osten. Die Palästinenser-Resolution wird nun frühestens am Freitag, voraussichtlich aber erst Anfang Dezember eingebracht und debattiert werden.
Während so in dem internationalen Völkerforum alles nach Plan der USA zu laufen scheint, hat die Bush- Administration daheim weitaus größere Probleme, den Kongreß von der Notwendigkeit militärischer Drohungen oder gar eines Krieges gegen Saddam Hussein zu überzeugen. Auf dem am Dienstag begonnenen Hearing des Verteidigungsausschusses im Senat haben sich bisher fast alle Redner für mehr Geduld mit dem Wirtschaftsembargo und gegen ein vorschnelles militärisches Eingreifen ausgesprochen. Ein Krieg gegen Saddam Hussein, so hatte Senator Nunn am Dienstag die Anhörungen eröffnet, sei seiner Meinung nach durchaus gerechtfertigt. „Die Frage ist nur“, so Nunn, „ob er auch klug ist.“
Zweifel an der militärischen Lösung
Während Baker und Bush in den letzten Tagen und Wochen wie von Saddam Hussein besessen durch die Weltgeschichte reisten, um sich zwischen Syrien und Mexiko der Verbündeten zu vergewissern, wurden daheim die Zweifel an der Anfang November beschlossenen Verdoppelung der US-Truppen am Golf auf über 400.000 Mann immer stärker. „Wenn nur ein Zehntel der Zeit, die auf die Entsendung von Truppen verwandt wird, der Suche nach einer politischen Lösung gelten würde“, so der ehemalige stellvertretende Außenminister für Nahost-Angelegenheiten, Harold Saunders, „dann stünden wir besser da.“
Während die Bush-Administration den Auftritt von Außenminister Cheney und dem Vorsitzenden der Stabschefs, General Powell, vor dem Senatsausschuß auf die Zeit nach der UNO-Debatte verlegte, wurde die Ungeduld seiner Administration heftig kritisiert. Einzig und allein der unverbesserliche Vietnam-Bomber Henry Kissinger empfahl auch in Sachen Irak die „selektive Destruktion“.
Abstimmung auch im US-Kongreß
Derzeit, so heißt es in Washington, wägt der Präsident ab, den Kongreß aus den Parlamentsferien zu einer Sondersitzung zusammenzurufen, um auch ihn nach einer Debatte über eine der UNO-Resolution nachempfundenen Entschließung abstimmen zu lassen. Hier dürfte allerdings ein ähnlich klares Abstimmungsverhältnis wie vor der UNO kaum zu erreichen sein. Denn während die Bush- Administration sich den Erhalt der internationalen Koalition mit allen diplomatischen Tricks und Bestechungen erkauft hat, scheint daheim der Konsens über ein eventuell militärisches Vorgehen gegen Saddam Hussein langsam aber sicher auseinanderzufallen. Rolf Paasch, Washington
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen