■ UNO-Menschenrechtskommission enttäuscht mit ihren Beschlüssen: Verratene Universalität
Die Reden Kofi Annans und Mary Robinsons zur Eröffnung der diesjährigen UNO-Menschenrechtskommission Mitte März in Genf erweckten bei manchen Beobachtern noch die Erwartung, diese Tagung werde sich vom Geist der vor 50 Jahren verabschiedeten „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ inspirieren lassen. Doch der Verlauf der sechswöchigen Sitzung zeigt, daß die Mahnungen und Appelle des UNO-Generalsekretärs und der Hochkomissarin für Menschenrechte bei den 53 Mitgliedsstaaten der Kommission nur wenig bewirkt haben.
Sicher, die Verabschiedung einer „Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsaktivisten“ nach langjährigen Verhandlungen ist ein Fortschritt. Und die Berufung eines Sonderberichterstatters zum „Recht auf Entwicklung“ könnte dazu beitragen, daß dieses Recht sowie die mit ihm verbundenen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte in den nächsten Jahren endlich konkreter und verbindlicher ausformuliert werden, so daß sie im praktischen Handeln der Regierungen eine Rolle spielen könnten. Nur so ließe sich die auf der Wiener Weltmenschenrechtskonferenz 1993 proklamierte „Universalität“ und „Unteilbarkeit“ aller in der Allgemeinen Erklärung von 1948 formulierten Rechte in Realität umsetzen.
Doch schwerer als diese positiven Ergebnisse wiegen die Versäumnisse dieser Kommission. So fehlte der Willen, die Menschenrechtsverstöße in China und Algerien als solche klar zu benennen und die bislang verschleppte Untersuchung der Massaker in Ex-Zaire endlich durchzusetzen. Mit der Entscheidung von EU und USA, die eigenen wirtschaftlichen Interessen in China über die politischen und bürgerlichen Menschenrechte von Millionen Chinesen zu stellen, drohe der Westen die ursprünglich von ihm eingeforderte „Universalität“ zu verraten, kritisierte der chinesische Dissident Wei Jingsheng am Rande der UNO-Kommission. Die Gefahr ist tatsächlich sehr groß.
Der Verzicht Washingtons und Brüssels auf eine chinakritische Resolution hat eine Bedeutung weit über China hinaus. Nicht nur in Peking und anderen Hauptstädten Asiens wurde er als Signal verstanden, daß der Westen bereit sein könnte, sich sein Beharren auf grundlegende Menschenrechte abhandeln zu lassen. Spätestens im nächsten Frühjahr wird sich zeigen, ob die westlichen Staaten, wie ihre Diplomaten in Genf versichern, tatsächlich bereit sind, zu einer chinakritischeren Haltung zurückzukehren, falls Peking nicht zumindest seine jüngsten Zusagen auch in der Praxis einlöst. Andreas Zumach
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