UN-initiierte Waffenruhe in Syrien fraglich: Assads Regierung spielt auf Zeit
Am Dienstag endet die Frist für eine Waffenruhe in Syrien. Doch die Hoffnung ist gering, die Assad-Regierung pokert. Am Osterwochenende gab es wieder Kämpfe mit über 200 Toten.
DAMASKUS afp | Vor der am Dienstag ablaufenden Frist für eine Waffenruhe in Syrien gibt es kaum Hoffnungen auf ein Ende der Gewalt. Die syrische Regierung erklärte am Sonntag, ihre Truppen erst nach „schriftlichen Garantien“ der Opposition für einen Gewaltverzicht aus den umkämpften Städten abziehen zu wollen. Am Montag gab es wieder heftige Kämpfe in mehreren Regionen des Landes, unter anderem an der Grenze zur Türkei.
Den 10. April als Frist für den Rückzug der Truppen zu bezeichnen sei „nicht korrekt“, erklärte das syrische Außenministerium. Vor einem Abzug der Armee müssten die „bewaffneten terroristischen Gruppen“ schriftlich ein Ende „jeder Form der Gewalt und eine Abgabe ihrer Waffen“ zusagen. Der internationale Syrien-Sondergesandte Kofi Annan habe entsprechende Garantien noch nicht vorgelegt.
Der Chef der aus desertierten Soldaten zusammengesetzten Freien Syrischen Armee (FSA), Oberst Riad al-Asaad, betonte, der syrischen Regierung selbst keine Zusagen machen zu wollen. „Wir werden unsere Garantien und Zusagen der internationalen Gemeinschaft geben, aber nicht dem Regime.“ Ein FSA-Sprecher sagte am Montag, von Dienstagmorgen an sollten die Kämpfe unter Bedingungen eingestellt werden. „Wir werden dieses Versprechen einhalten, wenn das Regime sich verpflichtet, die Vorgaben des (Annan-)Plans einzuhalten.“
Der UN-Sicherheitsrat hat die syrische Führung aufgefordert, bis zum Dienstag die Truppen aus den Protesthochburgen abzuziehen. Binnen 48 Stunden – bis Donnerstagmorgen 6.00 Uhr Ortszeit – sollen dann alle Kampfhandlungen eingestellt werden. Annan hatte erklärt, Syriens Staatschef Baschar al-Assad habe der Frist für eine Waffenruhe zugestimmt.
Auch China fordert Waffenruhe
China, das zusammen mit Russland zweimal Syrien-Resolutionen des UN-Sicherheitsrates blockiert hatte, forderte die Konfliktparteien am Montag auf, die Waffenruhe einzuhalten, und verlangte einen Rückzug der Soldaten aus den Städten.
Die Gewalt in Syrien hielt aber unvermindert an, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte. Demnach wurden am Wochenende mehr als 180 Menschen getötet. Am Montagvormittag seien mindestens 13 Menschen getötet worden, zwölf von ihnen Angehörige der syrischen Sicherheitskräfte. Demnach gab es insbesondere in den Provinzen Deir Essor im Osten des Landes und Aleppo im Norden des Landes heftige Kämpfe zwischen Soldaten und Rebellen.
Kämpfe gab es auch an der Grenze zur Türkei, wo Rebellen laut der Beobachtungsstelle sechs syrische Sicherheitskräfte töteten. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete unter Berufung auf einen Behördenvertreter, 17 verletzte Syrer seien nach einem Angriff der syrischen Sicherheitskräfte auf ein Dorf über die Grenze gebracht worden, zwei von ihnen seien gestorben. Im Zuge der Gefechte wurden türkischen Diplomaten zufolge auch Schüsse auf türkisches Territorium abgefeuert, mehrere Menschen wurden verletzt. In einem Flüchtlingslager nahe der Stadt Kilis brach Panik aus.
Rund 25.000 Syrer sind vor der Gewalt in ihrer Heimat in die Türkei geflohen und dort in Flüchtlingslagern untergekommen. Am Dienstag will Annan die Lager besuchen, wie ein türkischer Diplomat sagte. Auch die US-Senatoren John McCain und Joe Lieberman haben sich angekündigt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warf der syrischen Führung vor, bei ihren jüngsten Offensiven mehr als einhundert Zivilisten und Rebellen hingerichtet zu haben.
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