UN-Tribunal für Dusko Tadi zuständig

■ Das Gericht beschließt einen weitreichenden Schutz der Zeugen. Einschüchterungsversuche und Racheakte sollen verhindert werden. Erstmals wird Vergewaltigung als Kriegsverbrechen angeklagt

Den Haag (dpa/taz) Der von Deutschland ausgelieferte Serbe Dusko Tadić muß sich als erster mutmaßlicher Kriegsverbrecher seit den Nürnberger Prozessen vor einem internationalen Tribunal verantworten. Das UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag erklärte sich gestern in seinem Fall für zuständig. Der Prozeß gegen ihn wird voraussichtlich im Herbst beginnen.

Auf Antrag des Anklägers beschloß das Tribunal außerdem einen weitreichenden Zeugenschutz. Dadurch sollen Einschüchterungsversuche und Racheakte erschwert werden. So dürfen sechs Zeugen ihre Namen geheimhalten und ihre Aussagen hinter verschlossenen Türen machen. Die Zeugen dürfen auch nicht gefilmt oder fotografiert werden. Die Protokolle der Aussagen werden jedoch anschließend veröffentlicht.

Einige Zeugen sollen vor Gericht so abgeschirmt werden, daß Tadić sie nicht sehen kann. Die ehemaligen Häftlinge im Lager Omarska in Bosnien würden eine erneute Konfrontation mit ihrem früheren Aufseher nach Ansicht der Richter nicht verkraften. Die sogenannte Zeugin „F“, die Tadić vorwirft, sie brutal vergewaltigt zu haben, hatte bereits angekündigt, sie werde nur unter diesen Bedingungen vor Gericht erscheinen. Ihre Aussage ist für die Anklagebehörde besonders wichtig, da diese erstmals vor einem internationalen Tribunal Vergewaltigungen nachweisen will.

Die Verteidiger von Tadić hatten aus formalen Gründen eine Einstellung des Verfahrens beantragt. Hauptverteidiger Michail Wladimiroff hatte argumentiert, daß das Tribunal rechtlich keine Basis habe. Seine Gründung vor zwei Jahren hätte nur von der UN- Vollversammlung beschlossen werden können, nicht aber – wie geschehen – vom Weltsicherheitsrat. Die Vorsitzende Richterin Gabrielle Kirk McDonald wies dies jedoch als politische Frage zurück, über die das Tribunal nicht entscheiden könne.

Bis zum Prozeßbeginn müssen die Richter noch über andere Anträge der Verteidigung entscheiden. So sollen alle von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gesammelten Beweise für Verbrechen von Tadić ausgeschlossen werden.

Der Anfang 1994 in München festgenommene Tadić war im April dieses Jahres von Deutschland an das Tribunal ausgeliefert worden. Er ist angeklagt, 1992 im Lager Omarska mindestens 13 muslimische Zivilisten ermordet zu haben. Außerdem legt ihm die Anklage 16 Fälle von Vergewaltigung, Folter und schwerer Mißhandlung zur Last. Der 39jährige Tadić ist der einzige von 46 Angeklagten, der sich in Den Haag in Haft befindet. gb