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UN-Konferenz zur FinanzkriseArme Länder fordern mehr Geld

Auf dem Krisengipfel der Vereinten Nationen sind die Entwicklungsländer fast unter sich. Die Industriestaaten senden die zweite Garde - oder bleiben gleich fern.

Viele Stühle sind bei der UN-Konferenz zur Finanzkrise leer geblieben. Bild: reuters

NEW YORK taz | Die Vertreter der Entwicklungsländer hatten eine klare, einmütige Botschaft: Wir brauchen Geld, und zwar schnell! Die Minister und Länderchefs von über 100 Staaten tagen noch bis zum heutigen Freitag am Sitz der Vereinten Nationen in New York, wo sie zu einem Krisengipfel zusammengekommen sind.

So einmütig es dort zuging - im Vorfeld hatte es ausreichend Missklänge gegeben, was den geplanten Gipfel schließlich zu einem Treffen der Dritten Welt zusammenschmelzen ließ: Kaum eine westliche Industrienation war vertreten, was Miguel d'Escoto Brockmann, Präsident der UN-Vollversammlung und Gastgeber, als "Ausdruck eines im Licht der derzeitigen Entwicklung unangebrachten Überlegenheitsanspruchs" geißelte.

Die Idee der Konferenz war es, das globale Finanzsystem neu zu ordnen. Dazu wird es wohl kaum kommen. Die USA, Frankreich und Großbritannien hatten ganz abgesagt. Deutschland wurde vertreten von der sozialdemokratischen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.

China, das sich selbst noch als Entwicklungsland sieht, hatte immerhin Außenminister Yang Jiechi gesandt. Dieser nutzte seinen Auftritt prompt zu der Forderung, das Gewicht der Entwicklungsländer in den globalen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank ihrer realen Bedeutung in der Welt anzupassen. Eine Forderung, die die US-amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice per Grußbotschaft gar nicht erst kommentierte. Sie ließ stattdessen wissen, dass Washington die erhöhten Nothilfen des Internationalen Währungsfonds an die bedürftigsten Länder unterstütze. Ihr Land, so Rice, trage immerhin einen Teil der Verantwortung für die Krise.

Umstrittene Mitsprache

Westliche Diplomaten erklärten das Fernbleiben der reichen Länder damit, dass sie unzufrieden damit seien, dass und wie DEscoto, ein linker nicaraguanischer Exminister und katholischer Expriester, das Treffen vorbereitet hatte. Im Vorfeld war es zu Streit zwischen denen gekommen, die der 192 Mitglieder starken UN-Generalversammlung mehr Mitspracherechte in der Bekämpfung der Finanzkrise einräumen wollen, und denen, die die Machtstrukturen gerne so behalten wollen, wie sie sind.

Wie d'Escotos Herz schlägt, wurde deutlich, als er den Redebeitrag des kubanischen Ministers Rodrigo Malmierca Díaz mit den Worten "Dank, Dank an die heroische Nation Kuba" abmoderierte. Díaz hatte nicht mit Kritik an den "neoliberalen Rezepten" des Nordens gegeizt - und daran, dass diese nun herangezogen würden, die Misere, die sie angerichtet hätten, zu beseitigen.

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7 Kommentare

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  • BH
    Bernhard H. Johannes Wagner

    @ Daniel: Ich verstehe, was joe und buckelwal schreiben, so,

    dass mit Person nicht eine 'juristische' Person, z.B. ein Unternehmen, sondern eine 'biologische' gemeint ist.

     

    Extreme Ausbeutung, menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse, bis hin zu Sklaverei, gab es schon, bevor es große Unternehmen gab

    und gibt es auch heute noch weltweit in kleinen und kleinsten Unternehmen, von denen sich auch große ja oft beliefern lassen.

     

    Das liegt z.B. daran, dass oft kleine Unternehmen sogar schwerer kontrollierbar sind, ob sie z.B. ILO - Normen einhalten.

    Es stimmt aber, dass Unternehmen niemals mächtiger werden dürfen, als demokratische Institutionen wie es z.B. annähernd (aber noch lange nicht perfekt) heutige 'moderne' Staaten, Länder und Kommunen sind (wie weit, bzw in welchem Maß, dafür ist der Human Development Index des HDP der UNO ein einigermaßen gutes Indiz, finde ich).

     

    Es liegt auch daran, dass Unternehmen, egal wie groß sie sind, dem Druck des Konkurrenzkampfes unterliegen und damit der Versuchung, immer billiger, schneller und damit ggf. unter schlechteren Arbeitsbedingungen zu produzieren, wie die anderen Unternehmen. Ich kenne das übrigens sowohl aus der Erfahrung meines Vaters, der jahrelang in einem relativ kleinen Unternehmen gearbeitet hat, als auch aus eigener Erfahrung. Das muss gar kein sehr böser Chef sein, aber um ökonomisch zu überleben, ist die Versuchung groß, sich an der "Auf- Rüstungsspirale" des Drucks auf die Arbeitenden (beginnt oft beim Zeitdruck, in weniger Zeit dasselbe zu leisten ...) etc. zu beteiligen. Sogar interne Mitbestimmung kann das nicht verhindern, weil nämlich die Leute auch nicht arbeitslos werden wollen, so dass neben Betriebsräten etc. auch externe Kontrollorgane wichtig sind. Das ist in mancher Hinsicht analog zur Situatione des sog. Gefangenendilemmas, nämlich insofern, als die je individuelle Optimierung (hier: der jeweiligen Unternehmen ...) zu einem Gesamtergebnis führt, das für alle Beteiligten (hier v.a. die Angestellten / Arbeiterinnen/-er ...) schlechter ist, als wenn es zwischen ihnen Koordinierungsmöglichkeiten gäbe (hier wären das z.B. Gesetze zu Mindeststandards und ihre Durchsetzung mithilfe von Jurisdiktion und Exekutivorganen).

     

    Warum soll jemand das Recht haben, mehr als das 100-fache des Existenzminimums zu haben, solange es Menschen gibt, die noch nicht einmal das Existenzminimum erreichen? Obwohl es aktuell sicher unpraktikabel ist, es zu fordern, aber langfristig wäre m.E. zu fragen: Weshalb sollte zunächst einmal überhaupt verschieden hohe Einkommen geben (sagen wir mal Stundenlohn oder Monatslohn)? Eine gute Antwort wäre m.E.: Weil eine Arbeit die jeweilige Person stärker psychisch oder physisch belastet oder risikoreicher (bzgl Gesundheitsgefahren etc.) ist. Hat eine Person kostspieligere Grundbedürfnisse (z.B. eine speziell kostspieligere Krankheit) könnte dies übrigens durch Extra-Unterstützung (durch den Staat etc.) gedeckt werden. Das ist natürlich erstmal theoretisch und abstrakt, aber jedes Bauwerk beginnt mit einer Skizze. Die aktuellen Bauwerke sind allerdings ziemlich anders konstruiert und ethisch gesehen m.E. extreme Fehlkonstruktionen.

     

    Allerdings ist zu bedenken, dass, um bei dem Vergleich zu bleiben, ein gelingender, nachhaltiger Neubau nicht unbedingt durch eine vorherige sehr destruktive Revolution besser gewährleistet ist, als durch einen schrittweisen, intelligent angestellen Umbau, näml. z.B. weil beim Revolutionsmodell oft die Trümmer so sehr im Wege sind, dass der neue Bau evtl. sogar noch schlechter wird, wie der alte (vgl. Stalin, Polpot, oder bis heute in Nordkorea). Hier gilt vielleicht eine Hypothese von Otto Neurath, dass wir wie Schiffer sind, die keine Werft anlaufen können, sondern das Schiff auf hoher See umbauen müssen (in der sozialen Wirklichkeit also ähnlich wie in der Epistemologie (wo der Satz herkömmlich zitiert wird, z.B. als Motto am Anfang von 'Word and Object' von Quine).

  • D
    Daniel

    Verzeihung, das 5 bis 10 000-fache eines Existenzminimums würde ich vorschlagen, da hab ich mich leider verrechnet. Jedenfalls eine Kopplung der Ober- an die Untergrenze, die es natürlich auch geben soll.

  • D
    Daniel

    Wie wäre als Grenz-Vermögen das 200'000-fache des Jahres- Grundeinkommens/Existenzminimums (wobei "Existenz" ein ganzes Stück weiter gefasst wird, als bisher), immerhin noch 2000 Lebens-Spannen in bescheidenem Wohlstand?

     

    Es ist gewiss nicht notwendig für eine gesunde Wirtschaft, dass irgendjemand "Superreichtümer" anhäuft. Und ich finde es gar nicht so klar, wie die tatsächlichen Besitzverhältnisse sind. Desgleichen sind "totalitäre Kommandowirtschaften, die der Öffentlichkeit gegenüber nicht rechenschaftspflichtig", "riesig, untereinander und mit mächtigen Staaten verbunden" sind, (Chomsky, taz, http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2004/03/15/a0214)

     

    äußerst kotraproduktiv(!), da sie der Vielzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen massiv Arbeitplätze kosten, zugleich die Löhne drücken (außer für wenige), die Vertriebsbedingungen verschärfen und die Produktionsbedingungen verschleiern. Dann lieber eine Vielzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen, vor denen man Achtung haben kann.

     

    Würde ich eine Vision entwerfen, enthielte sie im Prinzip alles, was schon da ist, außer extreme Armut und Reichtum, Unterdrückung und Ausbeutung und einige dramatische Fehlentwicklungen, die wir noch nicht beherrschen. Vor allem der Raubbau an Wäldern und Beständen muß enden, soviele Arten wie möglich müssen wir retten, damit der wahre Reichtum unseres gemeinsamen Erbes zurückkehren kann.

     

    Ich glaube, dass man mit koordinierten Kampagnen, gewaltfreiem Widerstand und geistreichen Aktionen sehr viel mehr bewegen kann und darf (und sogar soll, da andere Beteiligungs-Formen weitgehend fehlen). "Die Bewegungen für mehr Gerechtigkeit sind heute größer, als sie es lange Zeit waren. Wenn die Leute von all dem wüssten, was passiert, würden sie es nicht akzeptieren."

  • B
    buckelwal

    Hi Joe und Daniel, also ich bin dabei, aber 1 Milliarde scheint mir viel zu hoch. Vielleicht wären schon 100 Mio. durchsetzbar - allerdings müssten dazu Bankgeheimnisse aufgehoben werden und Transparenzen geschaffen werden, die evtl. dann doch auf größeren Widerstand stoßen. Man müsste es einfach mal offensiver in die Diskussion werfen und sehen wie es sich entwickelt. Angesichts solcher Beispiele wie dem Malaria u.s.w. müsste eigtl. ein Großteil der Weltöffentlichkeit - soweit es sie gibt (vgl. Analphabetismus u.s.w.) - zu überzeugen sein. Wichtig ist dabei sicher immer wieder zu betonen, dass es nicht um Totalitarismus (Stalinismus, Maoismus, Polpotismus, u.s.w.) geht, bzw. dass dieser ausdrücklich abgelehnt wird. Das wird/würde die allg. Akzeptanz, die nötig ist, sicher erhöhen.

  • D
    Daniel

    @navajo joe: +1

     

    Genau diesen Gedanken habe ich auch schon lange. Dabei geht es mir darum, dass ein Großteil der Geldmenge der Gesellschaft entzogen ist, und damit das Geld seinen Zweck verfehlt - zu zirkulieren. Und zwar nicht nur in exklusiven Kreisen. Die Konzentration in den Händen weniger nimmt dagegen immer mehr zu. Über Staatsanleihen kehrt es zum Teil zurück, damit das System nicht zusammenbricht, dafür zahlt D. derzeit 80 Milliarden Euro Zinsen im Jahr - Tendenz steigend.

     

    Daher war meine Idee, dieses Geld in die Schuldentilgung zu stecken, um wieder Handlungs-Spielraum zu erhalten. Das ließe sich sogar sehr einfach verrechnen. Staatsanleihen sind schließlich auch Vermögen. Natürlich müsste man das noch genauer ausarbeiten.

     

    Eine Millarde $ sind ein gutes Maß - mehr als genug, um einem ganzen Dorf für immer ein Leben in Luxus und Dekadenz zu garantieren, wenn man das will. Das verdeutlicht, dass es dabei nicht um die Einführung des "Sozialismus" (beliebte US-Keule) geht. Kein Mensch verlöre seine Leistungs-Anreize, außer Milliardäre, die demnach andere Schwerpunkte im Leben setzen müssten. Auch geht es nicht um die Abschaffung der Klassen-Gesellschaft, wohl aber um Klassenkampf: Der herrschenden Klasse Grenzen setzen.

     

    Drittens würde ein so hoher Betrag die Zahl der Betroffenen auf wenige hundert begrenzen, was es etwas einfacher macht, dies Stück Gerechtigkeit zu erstreiten.

  • NJ
    navajo joe

    nachtrag: es ist mir dabei völlig klar, dass es mutlimilionäre/millionärinnen nicht nur in den hochindustrialisierten ländern gibt.

     

    allein das vermögen der früheren oligarchie von venezuela (die seit chavez regierungszeit das land etwas weniger ausbeuten kann) würde vermutlich ausreichen, um die zahl der malariatoten weltweit um mehr als 90% zu reduzieren.

     

    oder mugabe in simbabwe, inklusive seiner extrem jetztigen geld- und prestigsüchtigen gattin, oder die ganzen erdöl-milliardäre von texas bis kuwait u.s.w. - sorry, texas ist evtl. schon ein hochindustrieland ...

  • NJ
    navajo joe

    das allermindeste, quasi einer der ersten wirklich nachhaltig vorwärts bringenden schritte, den vielleicht sogar b. obama noch mitgehen könnte, wäre meines erachtens:

     

    jegliches vermögen einer person, das den wert von 1 milliarde us dollar übersteigt, wird umgehend und ersatzlos der uno übergeben, speziell für gesundheit und nachhaltige entwicklung.

     

    - und eine milliarde ist ja eigentlich noch unverschämt großzügig, es könnte auch 1 million heißen, aber da würde dann b. obama auch nicht mehr mitgehen können (das würde er politisch nicht überleben).

     

    zum vergleich:

     

    lebensrettende medikamente für malaria kosten täglich weniger als einen einzigen us dollar.

     

    täglich sterben an malaria mehr menschen, meistens kinder, als wenn 5 vollbesetzte airbus-jets abstürzen würden. an folgen von mangelernährung bzw. verseuchtem trinkwasser sogar noch mehr. jeden tag!