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UN: Humanitäre Hilfe ist „heilige Aufgabe“

■ Bosnisches Staatspräsidium schließt Abdić aus / Auch in Tuzla gerät Izetbegović unter Kritik / Schwere Kämpfe um Vareš / Stoltenberg traf Milošević in Belgrad

Berlin/Zagreb (taz) – Der UN- Oberkommandierende im ehemaligen Jugoslawien, Jean Cot, hat am Wochenende in Zagreb den Schutz der Hilfstransporte angesichts des nahen Winters zur „heilige Aufgabe“ der UN erklärt. Bosnische, kroatische und serbische Bewaffnete hatten in den vergangenen Monaten wiederholt mit Lebensmitteln und Medikamenten beladene UN-Konvois blockiert, beschossen oder behindert.

Das bosnische Staatspräsidium hat derweil Fikret Abdić, den selbsternannten „Präsidenten“ der „Autonomen Region Bihać“, ausgeschlossen. Abdić erklärte daraufhin in der Zagreber Zeitung Vjesnik, seine Region habe „mit Sarajevo nichts mehr zu tun“. Der ehemalige Manager hatte in der letzten Woche seperate Friedensverträge mit den Führern der bosnischen Serben und Kroaten, Radovan Karadžić und Mate Boban, abgeschlossen. Nach Angaben der Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug bestätigte derweil am Samstag der muslimische Politiker Fidal Hanić aus Gradačac, daß auch in der Region um Tuzla der Widerstand gegen die gesamtbosnische Politik Präsident Alija Izetbegovićs zunehme.

Bosnische Regierungstruppen haben gestern eine großangelegte Offensive gegen die kroatische Enklave Vareš im Norden Bosniens gestartet. Nach UN-Angaben wurde bei einer serbischen Gegenoffensive die Ortschaft Stupnji Dol vollständig niedergebrannt. Unter schwerem serbischem Beschuß lagen die UN-Schutzzonen Maglaj und Tesanj. Die bosnische Regierung forderte die UN-Schutztruppen in einem Protestschreiben auf, die Ortschaften endlich gemäß der UN-Schutzzonen-Resolution vom Mai 1993 zu schützen.

Der UNO-Vermittler Thorvald Stoltenberg ist am Samstag in Belgrad mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević zu Beratungen über die Entwicklung in Bosnien-Herzegowina zusammengekommen. In einer anschließenden Erklärung des serbischen Präsidialamtes hieß es, die ausstehenden Gebietsforderungen der Bosnier dürften weder den Friedensprozeß noch die mit ihm verbundene Aufhebung der Sanktionen gegen Serbien und Montenegro behindern.

Bekannte Filmer wie Volker Schlöndorff, Vanessa Redgrave und Jeremy Irons durften nicht zum Filmfestival von Sarajevo fliegen, um ihre Solidarität mit den dort Eingeschlossenen zu bekunden. Wie Schlöndorff laut Spiegel TV am Samstag mitteilte, weigerte sich das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge, ihn und die anderen Künstler in die bosnische Hauptstadt zu fliegen, obwohl die deutsche Luftwaffe bereit war, die Filmschaffenden bei einem Transportflug mitzunehmen. Der Moderator kommentierte mit der Frage, ob das Elend in Sarajevo nun totgeschwiegen werden solle. rr

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