Turbulenzen um Hans Meyer: Feinde, allüberall
Ein sachlicher Blick auf den Fußball ist in Gladbach nicht mehr möglich. Trainer Meyer ist nicht unschuldig daran.
MÖNCHENGLADBACH taz Die alte Fehde zwischen Deutschlands größter Boulevardzeitung und Hans Meyer blüht wieder in voller Pracht. Schon 2003 bewegte diese erbitterte Auseinandersetzung den Trainer zum Rücktritt von seinem Posten bei Borussia Mönchengladbach. Bernd Weber, der Sportchef der Bild-Redaktion NRW, gab damals in einem Interview offen zu, dass er "den Meyer einfach nicht leiden" könne. Dieser verweigert im Gegenzug als einziger Bundesligatrainer konsequent die Kooperation mit der mächtigen Zeitung, noch nicht einmal den Namen des Blattes nimmt er in den Mund und spricht nur vom "Zentralorgan".
Seit Meyers Rückkehr vor vier Monaten köchelt der Konflikt wieder, doch weil die personellen Veränderungen, die der Trainer in der Winterpause anstieß, sinnvoll wirken und die Leistungen eindeutig besser geworden sind, begnügte das Blatt sich zunächst mit dem Verweis auf die mageren Ergebnisse. In dieser Woche ist Bild jedoch eine Waffe zugespielt worden, die den Trainer wirklich treffen kann: ein Brief, den Oliver Neuville und Patrick Paauwe im Trainingslager in Gran Canaria dem Präsidium überreichten. Die Ex-Kapitäne beklagten den Umgang des Klubs mit einigen ausgemusterten Spielern und die Entlassung eines Physiotherapeuten.
"Jetzt ist ganz Deutschland der Meinung, die Mannschaft hat hier Messer und Pistolen in der Tasche", sagte Meyer am Donnerstag - um Fassung ringend. Er habe in dieser Woche das ZDF-Morgenmagazin gesehen und entsetzt festgestellt, dass der vermeintliche "Aufstand gegen Meyer" höhere Priorität besitzt als die Meldung, "dass es irgendwo in dieser Welt Tote gegeben hat". Er selbst habe den Brief nie für einen Aufstand gehalten, sondern vielmehr für einen stillen Protest ohne jede Berechtigung. "Ich verstehe nicht, dass erwachsene Menschen sich um Dinge kümmern, die sie einen Scheißdreck angehen", sagte Meyer. Solche Personalentscheidungen seien Alltag in der Bundesliga. Weil der Brief aber irgendwie an die Öffentlichkeit gelangte, ist nun doch so etwas wie ein echter Aufstand daraus geworden. Offenbar gibt es in der Mannschaft jemanden, der Meyer explizit schaden will.
"Das ist Vorsatz und böswillig, jetzt, in einer Phase, da wir sportlich gegen Hoffenheim Hoffnung schöpfen konnten", sagt Sportdirektor Max Eberl. Dem Maulwurf drohe "die fristlose Kündigung". Der Zeitpunkt dieser Eskalation ist in der Tat überraschend. Er steht im Gegensatz zur sportlichen Entwicklung der Mannschaft, die in den beiden Rückrundenspielen in Stuttgart (0:2) und gegen Hoffenheim (1:1) recht gute Kritiken erhielt. "Jeder, der ins Stadion kommt, erkennt ja ganz klar, dass diese Mannschaft gegen den Trainer spielt", sagte Meyer vor der Abreise zum Auswärtsspiel bei Werder Bremen voller Ironie. Meyer, dessen Umgangston zweifelsohne sehr gewöhnungsbedürftig ist, ist bitterer geworden, die Leichtigkeit seiner einstmals so beliebten Monologe ist verloren gegangen. Der Trainer fühlt sich missverstanden, die Journalisten fühlen sich herabgewürdigt, weil Meyer kaum noch zwischen ihnen differenziert, und vermutlich empfinden beide Seiten nicht ganz falsch.
Das beste Beispiel dafür ist der Umgang mit Marko Marin. Als Meyer nach dem Hoffenheim-Spiel gefragt wurde, warum er den Jungnationalspieler ausgewechselt hat, war er nicht zu einer sachlichen Aussage fähig. Statt zu erklären, dass er mit der Einwechslung des erfahrenen Oliver Neuville die knappe Führung retten wollte, lobte Meyer Marins Leistung, die ironischen und die ernsten Teile seiner Ausführungen waren kaum noch zu unterscheiden. Der Trainer wittert überall böse Schlagzeilen, "Meyer hält Marin klein!" zum Beispiel. Für die Borussia ist es tragisch, dass der Trainer diese destruktive Berichterstattung mit seinem emotionalen Zynismus eher forciert, als sie zu bremsen. Marin stand übrigens in dieser Saison öfter in der Startelf als jeder andere 19-Jährige in der Bundesliga, aber der sachliche Blick ist in Mönchengladbach längst verloren gegangen.
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