piwik no script img

Turbulenzen an der BörseZinsen runter, Zinsen rauf?

Die Notenbanken sind im Dilemma. Sie müssen zwischen einer konjunkturstützenden und einer inflationsverhindernden Politik wählen. Die US-Fed will die Wirtschaft stimulieren.

Fed-Chef Ben Bernanke: Vom IWF gelobt, von manchen Bankern als unverantwortlich geschimpft Bild: dpa

Der Schwarze Peter liegt wieder bei der US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Nachdem Fed-Präsident Ben Bernanke den Leitzins in der vergangenen Woche nach den ersten heftigen Börsenturbulenzen bereits um drei Viertelprozentpunkte auf 3,5 Prozent gesenkt hatte, rechnen Börsianer damit, dass er damit auf der regulären Sitzung des Fed-Rates am Dienstag und Mittwoch gleich weitermacht. Denn immerhin: Der freie Fall der Aktienkurse wurde durch Bernankes Entscheidung jedenfalls fürs Erste aufgehalten.

Aber ist es denn die Aufgabe einer Notenbank, Börsenspekulanten zu retten? Die werden sich dann einfach darauf verlassen, dass im Notfall die Zentralbank für sie in die Bresche springt - und spekulieren eifrig weiter. Was aber eigentlich ist die Aufgabe einer Notenbank? Darüber herrschen dies- und jenseits des Atlantiks unterschiedliche Auffassungen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) nämlich sieht sich - wie vor ihr schon die Bundesbank - allein einem Ziel verpflichtet: Inflation zu verhindern. Dahinter steht die Überlegung: Wird die Geldmenge nur richtig gesteuert, dann bleibt die Preisentwicklung stabil und die Wirtschaft im Gleichgewicht. Sie basiert auf der Theorie des Monetarismus. Die Geldmenge beeinflusst die Zentralbank, indem sie einen Leitzinssatz festlegt, zu dem sie den Geschäftsbanken Geld zur Verfügung stellt. Je niedriger der Zinssatz, desto höher wird die Nachfrage nach Krediten sein. Das kurbelt die Konjunktur an - aber auch die Inflation.

Die EZB hat sich selbst das Ziel gesetzt, die Inflationsrate knapp unter zwei Prozent zu halten. Im Dezember aber betrug die Teuerung in der Euro-Zone 3,1 Prozent. Schuld daran sind vor allem das teure Erdöl, aber auch die immer höheren Lebensmittelpreise. In solch einer Situation die Zinsen zu senken und so die Inflation noch weiter anzuheizen, das wäre nach Überzeugung der europäischen Notenbanker gemeingefährlich. Entsprechend haben sie nicht ein einziges Mal seit Ausbruch der aktuellen Finanzmarktkrise im vergangenen Sommer ihren Leitzinssatz von derzeit 4 Prozent gesenkt. Das höchste der Gefühle war, dass sie eine für September schon angekündigte Zinserhöhung wieder abgeblasen haben. Und letzte Woche betonte EZB-Chef Jean-Claude Trichet noch einmal seine harte Linie. Dass die Wachstumsprognosen für den Euroraum immer weiter nach unten revidiert wurden, ficht ihn nicht an. "Besonders in den Zeiten von Marktkorrekturen und -turbulenzen ist es die Verantwortung der Zentralbank, die Inflationserwartung zu dämpfen, um zusätzliche Volatilität zu vermeiden", sagte er.

Ganz anders die Fed. Sie ist per Gesetz verpflichtet, auch den Arbeitsmarkt im Blick zu behalten. Schon gleich im August reagierte sie auf die Krise mit einer ersten Zinssenkung, weitere folgten. Die hohe Inflation in den USA, die bei über 4 Prozent liegt, scheint ihr das geringere Übel. Zu groß ist die Angst vor einer Rezession. Denn diese hätte üble Auswirkungen auf die großen Exportnationen in Asien, aber auch Europa. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte gerade erst vor einer "erheblichen Abschwächung" der Weltwirtschaft und lobte die Entscheidung der Fed.

Wie umstritten es ist, welche Aufgabe die Notenbanken in der globalisierten Welt übernehmen sollen, zeigten die unterschiedlichen Meinungen, die auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum vertreten wurden. Der Asienchef der Investmentbank Merrill Lynch, Stephen Roach, nannte die Zinssenkung der Fed "gefährlich, waghalsig und unverantwortlich". Die eigentlichen Probleme - fallende Immobilienpreise in den USA, die Überschuldung der Haushalte, die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe und die sinkende Nachfrage - würden dadurch nicht gelöst. Aber auch die EZB kam nicht viel besser weg. "Die EZB hinkt der Entwicklung hinterher", kritisierte etwa der New Yorker Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini. Und der Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, Gustav Horn, schimpfte: "Mit jedem Tag, den die Zentralbank weiter zögert, schädigt sie die europäische Wirtschaft." Wie sie mit der Krise umgehen sollen, dafür haben die Notenbanker offenbar kein klares Konzept.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!