Tumulte bei Schönfließ-Urteilsspruch: Polizist zu Bewährungsstrafe verurteilt
Ein Berliner Polizist ist wegen der tödlichen Schüsse auf einen Kleinkriminellen im brandenburgischen Schönfließ zu zwei Jahren auf Bewährung wegen Totschlag verurteilt worden.
NEURUPPIN dpa | Ein Berliner Kriminalpolizist ist wegen eines tödlichen Schusses auf einen Kleinkriminellen zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht Neuruppin sah den Vorwurf des Totschlags in einem minderschweren Fall als erwiesen an. Der Kommissar habe mit bedingtem Tötungswillen und nicht in Notwehr gehandelt, sagte der Richter am Samstag. Zwei weitere Polizisten, die bei der gescheiterten Festnahme mit tödlichem Ausgang dabei waren, wurden wegen falscher Aussagen und versuchter Strafvereitelung im Amt zu Geldstrafen von 10 800 und 8400 Euro verurteilt. Die Verteidiger kündigten Revision beim Bundesgerichtshof an.
Der Kommissar, der jetzt entlassen werden muss, hatte den gesuchten Mann am Silvesterabend 2008 im brandenburgischen Schönfließ aus nächster Nähe durch die Seitenscheibe eines Autos erschossen. Die Urteilsverkündung wurde von Tumulten, Protesten und "Mörder"-Rufen von Freunden des Getöteten aus Berlin-Neukölln begleitet.
Richter Gert Wegner folgte nicht der "Hinrichtungstheorie" der Nebenklage. Der Kommissar habe den Kleinkriminellen nicht mit Vorsatz in einem stehenden Auto töten wollen. Er habe durch den Schuss aus 1,50 bis 3 Metern Entfernung auf den Oberkörper des Mannes in dem langsam fahrenden Jaguar aber in Kauf genommen, ihn zu töten. "Der Schuss war extrem lebensgefährlich."
In der brenzligen Situation, die bei der versuchten Festnahme durch den Fluchtversuch des Gesuchten mit dem Auto entstand, habe der Polizist ihn "auf der Stelle" stoppen wollen, "koste es auch sein Leben". Diesen Entschluss habe er in "Sekundenbruchteilen gefasst und umgesetzt". Die Motivation des Polizisten zur Festnahme sei "von einem bedingten Tötungswunsch überlagert" gewesen.
Der Schütze habe nicht aus Notwehr gehandelt, weil das Auto nicht auf ihn zufuhr. Auch der neben dem Auto gestürzte Kollege sei bei der Abgabe des Schusses nicht akut in Gefahr gewesen. Schüsse nur zur Verhinderung der Flucht seien in diesem Fall - bei einem unbewaffneten Kleinkriminellen - nach dem brandenburgischen Polizeigesetz nicht erlaubt.
Die beiden anderen Polizisten, die als Zeugen nicht viel gesehen oder gehört haben wollten, logen laut Urteil, um ihren Kollegen zu decken. "Dieses vorgegaukelte Teilwissen ist einfach nicht glaubhaft", sagte der Richter. Die extrem lauten Knallgeräusche einer Pistole in nächster Nähe seien besonders für Polizisten "eindeutig als solche erkennbar". Alle anderen Ereignisse, etwa die Fahrbewegung des Autos, hätten die Polizisten übereinstimmend und den Spuren entsprechen richtig beschrieben. "Nur bei den belastenden Dingen fehlten Ihnen angeblich die Wahrnehmungen." Der Richter sagte, es gebe eine "natürliche Hemmschwelle", Kollegen, die in Gefahr überreagierten, zu belasten.
Zu Gunsten des Hauptangeklagten sah das Gericht bei der Strafzumessung einen "erheblichen Stress", den der gesuchte und unter Kokain stehende Kriminelle durch seinen Fluchtversuch verursacht habe. Bestraft sei der Kommissar auch, weil er seinen Beruf als Polizist verlieren werde und "seine Lebensperspektive zerstört" sei, sagte Wegner.
Die Anklage hatte für den Hauptangeklagten drei Jahre und sechs Monate Gefängnisstrafe gefordert. Die Verteidigung hatte auf Freispruch wegen Notwehr plädiert und auch für die anderen beiden Polizisten einen Freispruch verlangt. Der ganze Prozess sei besonders durch die sich widersprechenden Zeugen schwierig gewesen, hatte der Richter vor der Urteilsverkündung festgestellt.
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