Kommentar Urteil im Polizeischuss-Prozess: Eine Chance für die Polizei

Die Polizei kann nun mit Fug und Recht behaupten, dass auch ihre Mitarbeiter für ihre Taten geradestehen müssen. Und nur so kann sie das notwendige Vortrauen der Bürger gewinnen.

Nun ist er also tatsächlich verurteilt worden. Der Berliner Polizist, der an Silvester 2008 einen Kleinkriminellen erschossen hat, muss zwar nicht ins Gefängnis. Die zweijährige Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Aber als Polizist wird der Mann nicht mehr arbeiten können. Das wirkt lebenslang und ist somit eine sehr weitreichende Strafe. Zumal wenn man bedenkt, dass Polizisten selbst bei härtesten Vorwürfen in der Regel ungeschoren davonkommen.

Auch die Berliner Polizei ist durch das Urteil heftig getroffen. Schließlich hat ein Beamter aus ihren Reihen einen Menschen ohne Not getötet. Doch ein Freispruch hätte der Polizei allenfalls für das Selbstbild genutzt. Bei Polizeiskeptikern hätte sich nur der Eindruck verstärkt, dass Polizei und Justiz unter einer Decke stecken.

Genau deshalb ist der Richterspruch - so makaber das klingt - eine echte Chance für die Polizei. Sie kann nun mit Fug und Recht behaupten, dass auch ihre Mitarbeiter für ihre Taten geradestehen müssen. Und nur so kann sie das notwendige Vortrauen der Bürger gewinnen.

Doch leider lässt die Polizei diese Chance für vertrauensbildende Maßnahmen ungenutzt. Berlins engagierter Polizeipräsident Dieter Glietsch behauptet trotz des Prozessverlaufs, dass es den berüchtigten Korpsgeist unter seinen Mitarbeitern nicht mehr gibt. Damit schießt er sich selbst ins Knie. Zu offensichtlich haben hier zwei Beamte versucht, ihren ballernden Kollegen zu decken, indem sie angeblich den Schuss nicht gehört haben. Rein menschlich mag es nachvollziehbar sein, wenn sich eng zusammenarbeitende Kollegen gegenseitig schützen. Aber hier ging es um die Tötung eines Menschen. Da ist kein Platz mehr für Kollegialität. Das muss ein Polizeipräsident intern wie extern klarmachen. Sonst hat seine Behörde zu Recht kein Vertrauen verdient.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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