■ Dokumentation: Presseerklärung vom Bischofferoder Bratkartoffelgipfel: Tumultartige Szenen und ein Speckseminar
Die Bratkartoffeldebatte geht weiter. Es steht jedoch zu befürchten, daß die folgenden Worte nicht die letzten in dieser leidigen Angelegenheit sein werden.
„Das (vgl. taz vom 18.12. 97) könne man so nicht stehen lassen.“ Unter diesem Motto stand der eilends von Herrn „Piri Piri“ Sander einberufene Bratkartoffelgipfel im Kalikurort Bad Bischofferode. Die Gespräche verliefen in einer freundschaftlichen Atmosphäre. Schnelle Einigung konnte in der strittigen Frage erzielt werden, ob rohe oder gebratene Kartoffeln... Papperlapapp! Schon im Vorfeld war es in der Öffentlichkeit zu unwürdigen Auftritten gekommen und von daher äußerst schwierig, die verfeindeten Parteien an einen Tisch zu bringen.
Sander hielt mir zur Einstimmung die Verantwortungslosigkeit meiner „leichtsinnig losgetretenen Debatte“ vor. Sie verzerre die Grundzüge seiner Lehrauffassung. Einige der von mir zitierten Aussprüche seien lediglich der Abstimmungsmehrheit in seinem Familiengrund geschuldet, er dagegen ... ja, ja, das kennen wir. Als Ablenkungsmanöver wurde Sanders Hinweis eingestuft, seine Gattin nutze Pfannen – gleich welcher Beschichtung – zur Thematisierung familiärer Unterstellungsverhältnisse. Die Verhandlungsteilnehmer nahmen ihre Abreisedrohungen erst zurück, als es ihm unter dem Beifall aller Anwesenden gelungen war, die würdelosen Aspekte der ausschließlich bei niederen Lebensformen endemischen Edelstahlpfannen pantomimisch herauszuarbeiten.
Zu ersten tumultartigen Szenen kam es, als der Gastredner Grönling, Dieter seine in der Bratkartoffelforschung mehr als umstrittenen Thesen (taz vom 22.12. 97) zu Gehör brachte, die auf der leichtfertigen Gleichsetzung von gebratenen Kartoffeln mit Bratkartoffeln fußte. Dieser gewissenlose Profilierungsversuch auf Kosten der Sachlichkeit ging verdientermaßen in den Sprechchören einer aufgebrachten Menge Bratkartoffelfreunde unter und mußte von den Veranstaltern abgebrochen werden. Grönling und die mit ihm angereisten Berliner Claqueure luden im Anschluß an die Ausführungen zu einem Probeessen, das aber außer sensorischen Willkürakten nichts zu bieten hatte und daher im Interesse ihrer eigenen Sicherheit nur weiträumig abgesperrt stattfinden konnte.
Breiten Zustroms erfreute sich wider Erwarten das Speckseminar. Aus allen Vertragsanbaugebieten der Welt waren kurzfristig Kenner angereist, um das zweitägige Referat (mit nur zwei Pinkelpausen) von Jürgen „The Long“ Roth zur Problematik, ob Adorno Schinkenspeck an seinen Bratkartoffeln geduldet habe (mit einer geschickten Akzentverschiebung auf die Cateringgewohnheiten Ritchie Blackmores), in der aus allen Nähten platzenden Bahnhofsmission zu erleben. Seine Ausführungen waren glücklicherweise so angelegt, daß er den völlig zerstrittenen Konferenzteilnehmern knapp vor ihrer Abreise die Zusammenfassung diktieren konnte. Noch am Bahnsteig war die Gefahr nicht gebannt, daß sich die Damen und Herren „Spezialisten“ in eindeutiger Verletzungsabsicht mit Feldfrüchten und Roths Redemanuskripten bewarfen. Die Sicherheitskräfte hatten alle Hände voll zu tun. Herr Sander mußte sogar in den Reclam Verlag Leipzig eingeliefert werden.
Zurück bleibt ein Scherbenhaufen. Das hat man nun von seiner Gesprächsbereitschaft. Am Schluß unserer Presseerklärung ist eindeutig festzuhalten: rohe Kartoffeln unbedingt! Rosmarin: meinetwegen. Wenn Majoran, dann aber auch Kümmel. Wo soll denn das sonst hinführen! Michael Rudolf
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