piwik no script img

Tütenberge wie bei Hertie

■ Eröffnungspressekonferenz der Funkausstellung: Bei ARD und ZDF sitzen Plastiktüten in der ersten Reihe / Die Öffentlich-Rechtlichen im Vergleichstest

Die Telerevisoren (rpt: Telerevisoren) der Republik, allesamt mittelmeergebräunte Sommeranzugträger (und nicht -Innen) shaken vorm Podium hands, und wenn sich eine Öffentlich-Rechtliche mit einer Privat-Kommerziellen trifft, klatscht es am dollsten. Das Thema heißt nicht etwa IFA, sondern Bayern (5:1 gegen Kölle). Die Funktionärsgefolgschaft der Schwarzkopfs (ARD), Rings (ZDF), Thomas (RTL) und Doetzs (SAT1) sitzt mit Sekretärin in der ersten und zweiten Reihe. „Wir nehmen Sie in die Mitte, Frau Kollegin“. Begrüßung vom Zettel weg und dreisprachig: Mekka der Branche, deutscher Forscherdrang gestaltete die Welt des Rundfunks, erfreuliches von der Designfront, aufgeklärter Fachhandel, beratungsintensive Geräte. So weit, so wie immer und gähn. Wären da nicht die drei Counter mit Pressematerial gewesen, das ja heutzutage nur noch und praktischerweise in tragbarer Plastikhülle an Medienmenschen ausgeteilt wird. Taschenberge, hoch wie im SSV bei Hertie.

Die Rote von der Messegesellschaft, mit dem Funkausstellungslogo liegt zuerst da - und ist auch zuerst weg. Sie hat mit Abstand das beste Outfit, einen einfachen pappverstärkten Boden und hübsche Kordelschlaufen. Allerdings katastrophal im Handling: zu kurz für die Schulter. Innere Werte: Messekatalog (mit Lesezeichen!), Info-Service (mit Geländeplan!) und eine Mappe mit einem schrecklichen hellblauen Notizblock und allerhand Papieren über die neuesten Neuheiten inklusive eines kleinen Abkürzungslexikons (Camcorder? DAT? D2-MAC? HDTV? ISDN?). Unser Urteil: pret a porter, also prächtig zu tragen, anschmiegsam und informativ.

Dann schüttet das ZDF auf, eine Umhängetasche im Komplementärkontrast schrei-blau/gritz-gelb. Anscheinend Restposten aus frei-liberalen Wahlkämpfen, jetzt mit der Aufschrift ZDF live & locker. Mit Abstand die Tasche mit dem größten Sekundärnutzeffekt, gefertigt aus stabilem Kunststoff-Segeltuch, versehen mit zwei Schlössern und drei Innentaschen. Schulterriemen und Handgriff. Zum Inhalt: ein Kugelschreiber, ein Mäppchen mit dem gesamten Showprogramm, niedliche Mainzelmänner-Aufkleber und wunderschön-gestellte s/w-Bilder der Moderatoren Duos Gottschalk-Jauch und Ruperti-Voß.

Das Erste Deutsche will eine Unterschrift bevor es die Tasche herausgibt. Typisch Anstalt. Ein Beutel, groß, ganz in weiß mit Schulterriemchen und Druckknopf zum Verschließen. Das Material am ehesten mit Friesennerz vergleichbar, solide, mit dem Charme einer Einkaufstasche. Drauf die große „1“ und alle Funkhaus-Embleme. Inhalt: Aufkleber und Showprogramm, wie gehabt, teils hochglanz, teils amtspastell. Dröge. Doch dann das Juwel: Eine Sondermarke von von Lojewski. Für den Sender des Freien Berlin sind eben alle potentielle Phileatelisten. Gesamturteil: Ein Überwurf unter den Taschen. Schlau, denn es ist die größte, in der jeder vernünftige Mensch, der nicht gleich drei-gebeutelt rumlaufen will, die anderen beiden verschwinden läßt. Bravo. Die Privaten hatten null Beutel zu bieten. RTL-Thoma: „Wir setzen auf Champagner.“ Snobs.

kotte

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen