Türkei weist Wasser-Aktivistinnen aus: Toleranz geht anders
Weil sie ein Transparent auf dem Weltwasserforum entrollt hatten, wurden zwei Umweltaktivistinnen festgenommen und aus der Türkei ausgewiesen.
Istanbul taz Ein buntbemaltes Transparent mit der ganz allgemein gehaltenen Parole "No riski dams" reichte aus, damit zwei Umweltaktivistinnen aus Deutschland beziehungsweise den USA eine Nacht auf einer Polizeiwache verbrachten und tags darauf aus der Türkei abgeschoben wurden. Ann-Katrin Schneider aus Berlin und Payal Parekh aus San Francisco waren nach Istanbul gekommen, um am Wochenende am Alternativen Weltwasserkongress teilzunehmen.
Um auch während des offiziellen Forums darauf aufmerksam zu machen, dass sie Großstaudämme für keine Lösung halten, entrollten sie bei der Auftaktveranstaltung des 5. Weltwasserforums am Montagvormittag das besagte Transparent. "Es dauerte keine Minute", erzählte später Ann-Katrin Schneider der taz, "bis Sicherheitsleute uns das Transparent abnahmen und uns in einen Polizeiraum auf dem Gelände führten." Von dort wurden sie zu einer Polizeistation gebracht.
Dank der Bemühungen türkischer Umweltorganisationen und der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul trafen wenig später mehrere Anwälte dort ein, um sich um die Frauen zu kümmern. Mehrere türkische Umweltaktivisten, die während einer Demonstration vor dem Kongressgebäude festgenommen worden waren, landeten ebenfalls auf der Polizeistation, wurden von den beiden Frauen aber separiert. "Unser Problem war", sagt Ann-Katrin Schneider, "dass wir nie richtig aufgeklärt wurden, welcher Tat man uns beschuldigt und was mit uns passieren soll." Zunächst sah es so aus, als müssten die beiden lediglich ein Protokoll unterschreiben und würden dann freigelassen. Plötzlich hieß es, sie sollten angeklagt werden. Die Nacht hätten sie im Ungewissen verbracht. "Dann sagten sie uns, wir müssten entweder sofort ausreisen oder mit einer Strafe von mehr als einem Jahr Gefängnis rechnen. Bei der Alternative wollten wir natürlich beide lieber ausreisen." Um 5 Uhr früh ging es unter Polizeibewachung zum Flughafen und am Dienstagmorgen um 9 Uhr saß Ann-Katrin Schneider bereits in einem Flugzeug nach Berlin.
Das Einzige, was man ihr offiziell mitteilte, war, dass sie in den nächsten zwei Jahren nicht in die Türkei reisen darf. Von der Türkei hat sie ohnehin erst einmal genug. Die Ausweisung zeugt schließlich nicht gerade von der Toleranz, die der türkische Staatspräsident Abdullah Gül bei seiner Rede auf dem Kongress kurz nach der Festnahme der beiden Umweltaktivistinnen beschworen hatte. "Ich finde es nur schade, dass ich jetzt an dem Alternativkongress nicht teilnehmen kann, aber sonst bin ich froh, heil wieder in Berlin zu sein." JÜRGEN GOTTSCHLICH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?