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Türkei ernennt neuen EU-BeauftragtenErdogans Vertrauter

Der "Jungstar" Egemen Bagis, 38, enger Vertrauter von Erdogan, soll türkischen EU-Ambitionen Schwung verleihen.

Egemen Bagis (links) gehört zu den Jungstars der islamisch grundierten AKP. Bild: reuters

ISTANBUL taz Nach jahrelangem Hin und Her bekommt die Türkei nun erstmals einen Minister für EU-Angelegenheiten. Der neue Chefunterhändler für den türkischen EU-Beitritt ist Egemen Bagis, der bisherige Spindoktor und außenpolitische Berater von Ministerpräsident Tayyip Erdogan. Seit Beginn der Beitrittsverhandlungen 2005 hatte Außenminister Ali Babacan den Job mehr schlecht als recht mit verwaltet. Nachdem nun die Türkei noch Mitglied des UN-Sicherheitsrates geworden ist, war abzusehen, dass Babacan sich überhaupt nicht mehr um die EU kümmern würde. Mit der Ernennung von Egemen Bagis könnte Erdogan dem EU-Prozess neue Impulse geben.

Der erst 38-jährige Egemen Bagis gehört zu den Jungstars der islamisch grundierten AKP und hat eine erstaunliche Karriere hingelegt. Bagis gehört zu den "Amerikanern" im Umfeld von Erdogan. Der am 23. 4. 1970 in Bingöl im Südosten der Türkei geborene Bagis hat in den USA studiert und gearbeitet, bevor er sich in der türkischen Politik engagierte. Als Vorsitzender des türkisch-amerikanischen Freundschaftsrates startete er als Erdogans Dolmetscher bei US-Reisen, brachte es aber schnell auch zum inhaltlichen Berater bei allen US-Fragen. Egemen Bagis ist seinem Chef bedingungslos ergeben und wurde dafür Schritt für Schritt mit wichtigeren Posten belohnt.

Wann immer es um heikle Themen wie die Zypern- oder die Armenienfrage ging, war er zur Stelle, um Erdogans Sicht so zu verkaufen, dass sie für die westliche Presse kompatibel wurde. Andererseits scheute er nicht davor zurück, sich bei den Chefredakteuren von Financial Times, Economist oder auch der Zeit zu beschweren, wenn deren Türkei-Korrespondenten seinen Herrn und Meister in allzu kritischem Licht darstellten.

Ob mit Bagis wieder mehr Dynamik in die Verhandlungen um den türkischen EU-Beitritt kommt, ist aber fraglich. Zwar hat er mehr internationale Erfahrung als die meisten AKP-Funktionäre. Aber er ist doch in erster Linie Atlantiker und kein ausgewiesener Kenner der EU. Trotzdem kann es natürlich die Kommunikation mit Brüssel befördern, wenn in Ankara endlich ein Mann als Ansprechpartner da ist, der das Ohr des Ministerpräsidenten hat. Doch ob die Verhandlungen mit der EU endlich wieder in Gang kommen, wird nur zu einem geringen Teil von Bagis abhängen. Erdogan selbst zeigte sich zuletzt wenig an der EU interessiert. Seit mindestens zwei Jahren ist im Reformprozess zur EU-Annäherung nichts mehr passiert. Einen aktualisierten nationalen Reformplan, den das Kabinett in der Vorwoche nach langem Zögern verabschiedete, behandelte die Regierung so diskret, dass er in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde. Entscheidend ist aber letztlich, ob es in diesem Jahr auf Zypern zu einer Einigung zwischen Griechen und Türken kommt. Sollte die scheitern, werden die Verhandlungen von der EU faktisch auf Eis gelegt.

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