Trumps Amtsantritt: Er lebt von Feindschaft
Donald Trump versucht gar nicht erst zu verschleiern, wie er den Staat und die Gesellschaft umbauen will. Er hatte seine Pläne vorab verkündet.
V or vier Jahren hatte es etwas Beruhigendes, den für europäische Augen ungewöhnlichen Pomp und Bombast US-amerikanischer Präsidentenvereidigungen miterleben zu dürfen. Vorausgegangen war mit dem Kapitolsturm vom 6. Januar 2021 ein heftiger Angriff auf die US-Demokratie. Da war der kitschige Patriotismus der Militärkapellen so etwas wie eine bildhafte Versicherung, dass die Leitplanken doch halten. Jetzt ist derjenige, der den Angriff zu verantworten hatte, an dem Ort vereidigt worden, an dem seine Anhänger damals skandierten, man möge den Vizepräsidenten hängen, weil der nicht bereit war, die Verfassung zu brechen.
Das Ritual, was vor vier Jahren zeigte, dass die Demokratie doch lebt, wirkt heute wie ihre Unterwerfung unter denjenigen, der sie abschaffen wollte. Dass Trump als allererstes über 1.500 derjenigen begnadigte, die seither für ihre Teilnahme am Kapitolsturm verurteilt wurden, passt dazu.
Trumps Agenda, tausendfach vorab verkündet und am ersten Tag mit einer Flut von Dekreten begonnen, ist die eines radikalen Umbaus. Sie ist eine Botschaft, die von Feindschaft lebt: Feindschaft zu allem linken oder „woken“ im Innern, Feindschaft zu schmarotzenden Alliierten, Feindschaft zu kriminellen Migrant*innen, Feindschaft gegenüber Faktencheckern und unabhängigen Medien, Feindschaft gegenüber Bürgerrechten und internationalen Verpflichtungen, Verachtung gegenüber Minderheiten.
Er umarmt niemanden
Die Botschaft ist wütend, egozentrisch, kurzsichtig und aggressiv. Aber sie umgibt sich mit den Insignien staatlichen und dem Kapital privater Macht der Tech-Milliardäre. Trump versucht gar nicht erst, eine Message für alle zu entwickeln, er umarmt niemanden. Er will vernichten, wer gegen, und belohnen, wer für ihn ist. Und er weiß, dass nichts so sehr zusammenschweißt wie gemeinsame Feinde. Das ist der Kern seiner Bewegung. Und dazu spielt America the beautiful.
Trump ist ausgestattet mit einem komfortablen Wahlsieg. Er wird getragen von einer gehirngewaschenen Basis, die Trumps Abschiebedekrete in Washingtons Capitol One Arena so ekelhaft feierte wie deutsche Dorffeste den Gigi-Song. Seine Helfershelfer bilden eine rückgratlose Kriecherorganisation, die früher einmal „Grand Old Party“ genannt wurde. Trump selbst hat in seiner Rede den 20. Januar 2025 zum „Tag der Befreiung“ erklärt.
Tatsächlich ist es der Tag der friedlichen Machtübergabe an jemanden, der diese Macht niemals hätte bekommen dürfen, spätestens nach dem Kapitalsturm nicht mehr. Aber die Institutionen waren schon korrumpiert, allen voran der Oberste Gerichtshof. Man hat ihn machen lassen. Die Quittung kommt jetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musks Hitlergruß
Entscheidend ist der Kontext
Aus dem Leben eines Landwirts
Gerhard versteht die Welt nicht mehr
Israels Kampf im Gazastreifen
Völkermord, im Ernst
Kommunikationswissenschaftler
„Fake News muss man schon glauben wollen“
Trumps erste Amtshandlungen
Grauen in Hülle und Füller
Deutsche Haltung zu Trump
Verbiegen lernen