Trump-Berater bei Podiumsdiskussion: Eine Bühne für Propaganda

Die „Stuttgarter Nachrichten“ laden den Trump-Berater und ehemaligen Breitbart-Redakteur Sebastian Gorka als Gast. Der nutzt sein Podium.

Ausgabe der Stuttgarter Nachrichten

Die „Stuttgarter Nachrichten“ luden zur Diskussion Foto: imago/Lichtgut

STUTTGART taz | „Die Frontlinie beginnt heute beim Verlassen der Haustür,“ behauptete Sebastian Gorka am Donnerstagabend gegenüber gut 600 Gästen in der Stuttgarter Liederhalle. Das sei anders als im ersten oder zweiten Weltkrieg, als „die Fronten noch klar waren.“

Die zentrale Botschaft des Trump-Beraters in Sachen Terrorismus: Die Bedrohung sei allgegenwärtig. „Wir befinden uns mitten in einem asymmetrischen Krieg.“ Glücklicherweise fühle sich Trump „verpflichtet, den IS komplett auszurotten.“

Das alles darf Gorka unwidersprochen von sich geben, das Podium dafür boten die Stuttgarter Nachrichten. Die hatten eingeladen, um mit Chefredakteur Christoph Reisinger und Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) über Maßnahmen gegen Terrorismus zu reden.

Gorka wurde per Videoübertragung aus dem Weißen Haus zugeschaltet und von Reisinger als Berater der US-Regierung und „feste Größe“ in der Terrorismusforschung präsentiert – wenngleich er „als stramm Konservativer durchaus nicht unumstritten“ sei.

Sprachrohr der neuen Rechten

Bereits im Vorfeld der Veranstaltung waren die Stuttgarter Nachrichten in Kritik geraten, weil sie in Ankündigungsartikeln unerwähnt ließen, dass Gorka drei Jahre lang als fester Redakteur der Breitbart Network News beschäftigt gewesen ist, bevor er ins Weiße Haus berufen wurde.

Die Website ist mit mehr als 85 Millionen monatlichen Nutzern eines der zentralen Sprachrohre der radikalen neurechten Bewegungen in den USA und betreibt islamfeindliche Propaganda: So wurde dort beispielsweise verbreitet, in der Silvesternacht 2016 hätten 1.000 „Allahu-akbar“-singende Muslime den Kölner Dom in Brand gesetzt und das gleiche mit Polizisten versucht.

Gorka selbst hingegen hat erst am Montag gegenüber CNN verkündet, die Trump-Administration werde Medien weiter als „fake news“ bezeichnen, bis diese einsehen, dass ihr „fundamentales Bedürfnis“ Präsident Trump zu kritisieren, falsch und ungesund sei.

Dazu gab es auf der Veranstaltung kein Wort zu hören. Auf Anfrage von Übermedien sagte Chefredakteur Reisinger am Mittwoch, er sehe kein Problem darin, Gorkas Verbindung zu Breitbart nicht zu nennen. Schließlich sei dieser im gleichen Zeitraum auch in anderen Medien wie BBC oder CNN zu sehen oder zu lesen gewesen. Wenn auch nicht als fest angestellter Redakteur.

Protest vor der Tür

Andere sahen das kritischer: Parallel zur Diskussion demonstrierten am Donnerstag gut 80 Menschen gegen Gorkas Auftritt. Im Publikum selbst gab es jedoch zu keinem Zeitpunkt Protest. Auch nicht als Gorka Thesen verbreitete wie: Ohne politischen Islam keine Missionierung und damit kein Terrorismus. Armut und fehlende Bildung spielen für ihn bei der Radikalisierung explizit keine Rolle. „Wenn wir Islamisten jetzt aggressiver bekämpfen,“ so Gorka, „rücken wir uns selbst ins Fadenkreuz.“ Trumps Einreiseverbot sei deswegen eine großartige Idee, als „vorbeugende Maßnahme“ gegen „die globale Jihad-Bewegung“.

Das ging selbst einem stramm Konservativen wie Strobl zu weit. Der findet: „Ganze Nationen unter Generalverdacht zu stellen, das ist doch nicht okay.“ Er stimme aber zu, dass es „mehr Prävention“ brauche. Daher müssten, so die Forderung des Innenministers, private Kommunikationsdaten bereits dann ausgewertet werden dürfen, wenn nur der Verdacht auf eine schwerwiegende Straftat besteht. Außerdem verlangte er, Deutschland müsse seine Rüstungsausgaben um 50 Prozent steigern.

Chefredakteur Reisinger sagte zu Beginn der Veranstaltung, fast zwei Drittel der Deutschen würden laut Umfragen befürchten, selbst zum Opfer von islamistischem Terrorismus zu werden. Das entspricht knapp 54 Millionen Verängstigten – bei realen Opferzahlen von 15 Toten und 77 Verletzten in den vergangenen zehn Jahren. Diese Vergleichsgrößen blieben während der Diskussion ebenfalls unerwähnt. Sogenannte Terrorismusexperten wie Gorka dürften hingegen eher dazu beitragen, dass Terrorismus sein Ziel Schrecken zu verbreiten, noch besser erreicht.

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