Trüffelsuche in Frankreich: Immer der Nase nach
Noch bis Februar dreht sich für Südfrankreichs Trüffelzüchter alles um ,,La mélano'‘. Der Edeltrüffel ist eine Diva unter den Pilzen.
Mit einem Satz springt die Foxterrierhündin Lilou aus dem Auto. Ihr Herrchen Alain Prat muss sie sofort an die Leine nehmen, sonst wird heute nichts aus der Trüffelsuche. Kaum wittert Lilou einen Hasen oder einen Fasanen, ist ihr Jagdinstinkt geweckt und die Trüffeln sind vergessen.
Alain Prat öffnet das Tor in dem Maschendrahtzaun, der die zwei Hektar große Plantage aus Steineichen einzäunt. Er soll vor Wildschweinen schützen, die gierig nach der schwarzen Edeltrüffel den Boden der Eichenwälder durchwühlen. Es ist klirrend kalt an diesem Januartag im Südosten Frankreichs. Eisiger Wind fegt durch die Baumkronen, doch der Himmel ist strahlend blau.
Trüffelzüchter Alain Prat hat seine dunkelblaue Mütze tief ins Gesicht gezogen. In seiner Umhängetasche stecken eine kleine Hacke und die Belohnung für Lilou, wenn sie eine schwarze Trüffel gewittert hat. Zwischen November und Februar, wenn die Edelpilze reif sind, ist er mehrmals in der Woche mit Lilou für ein paar Stunden auf seinen Trüffelfeldern unterwegs, in der Nähe des südfranzösischen Städtchens Uzès.
Der Weg führt durch die karge, braungrüne Garrigue-Landschaft aus niedrigen Sträuchern und Steineichen. Dann geht es querfeldein, „Such, Lilou, such“, treibt Alain Prat immer wieder seine Hündin an, in dem angefrorenen Boden nach Trüffeln zu suchen. Sie bewegt sich gegen den Wind, der bringt ihr von vorne den Trüffelgeruch, aber auch andere aufregende Gerüche, die sie ablenken – nach Wild oder anderen Hunden.
Die Region Das Städtchen Uzès, 9.000 Einwohner, ehemaliges Herzogtum, liegt im Département Gard, in der Region Okzitanien im Südosten Frankreichs. Am dritten Wochenende im Januar findet jedes Jahr in Uzès das Trüffelwochenende statt, mit Verköstigung und Markt. Die Gegend rund um Uzès mit ihren lockeren, kalkhaltigen Böden gilt als ,,Wiege der Trüffel‘‘ im Département.
Die schwarze Trüffel Heute kommen rund 80 Prozent der schwarzen Trüffeln aus Plantagen mit geimpften Bäumen. In ganz Frankreich ist die schwarze Trüffel extrem zurückgegangen: Ende des 19. Jahrhunderts wurden jährlich bis zu 2.000 Tonnen schwarze Trüffeln geerntet, heute zwischen 30 und 50. Der wissenschaftliche Name der schwarzen Trüffel oder Périgord -Trüffel ist Tuber melanosporum. Trüffelliebhaber sprechen von ,,la mélano‘‘. Natürliche Vorkommen gibt es in Frankreich, Spanien und Italien. Der Kilopreis liegt bei 1.000 Euro. Es lassen sich mit nur wenigen Gramm leckere Gerichte zubereiten
Eine feste Knolle
Plötzlich bleibt Lilou in der Nähe einer Steineiche stehen und markiert mit einem Pfotenschlag eine Stelle in der hellbraunen Erde. Alain Prat holt seine Hacke aus der Tasche und fängt an, im Boden zu graben. Ganz vorsichtig, damit er die Trüffel nicht beschädigt. Die erste, die er an diesem Tag rausholt, steckt nicht besonders tief in der Erde und ist ziemlich klein. „Sieben bis acht Gramm. Dieses Jahr gibt es viele kleine Trüffeln. Wenn der Sommer sehr trocken war, entwickeln sie sich nicht gut.“
Das Loch schüttet er wieder sorgfältig mit Erde zu, damit das feine Wurzelgeflecht von Baum und Pilz erhalten bleibt und weitere Trüffeln wachsen können. Die unscheinbare Knolle, die man auch leicht mit einem Stein verwechseln könnte, steckt Alain Prat in seine Umhängetasche und holt für Lilou ein Leckerli zur Belohnung heraus. Erst wenn die Knollen geputzt und gewaschen sind, kommt Tuber melanosporum zum Vorschein, die schwarze Edeltrüffel oder auch Périgord-Trüffel.
Alain Prat, Trüffelsucher
Eine feste Knolle, haselnuss- bis kartoffelgroß, die Oberfläche wie von kleinen Warzen überzogen und mit einem Kilopreis von rund 1.000 Euro einer der teuersten Speisepilze der Welt. Alain Prat ist auf seine Hündin angewiesen, um Trüffeln zu finden. „Ich habe im Sand Trüffeln versteckt, in wenigen Tagen hat sie es gelernt. Jetzt ist sie sechs Jahre alt, ruhiger, ernsthafter, sie arbeitet wirklich gut.“ Mit ihrem feinen Geruchssinn kann Lilou auch Trüffeln wittern, die 30 Zentimeter tief im Boden reifen. Ein bisschen wie Tim und Struppi kommen Alain Prat und seine Hündin nur gemeinsam ans Ziel. Und weil Lilou Tims Hund Struppi ziemlich ähnlich sieht, heißt sie auch fast genauso. Lilou statt Milou, wie Struppi auf Französisch heißt. Alain Prat gibt die grobe Richtung vor, Lilou leistet die Feinarbeit. „Ich kenne meine Bäume, ich gehe nur zu denen, die Trüffeln hervorbringen.“
Von rund 700 Steineichen, die hier gepflanzt wurden, sind es nur wenige Dutzend. Und es sind immer dieselben. Obwohl alle Baumsetzlinge mit den Sporen von Tuber melanosporum, der schwarzen Edeltrüffel, geimpft wurden. Das ist eines der vielen Geheimnisse der schwarzen Trüffel. Niemand weiß, warum manche Bäume Trüffeln hervorbringen und andere nicht. Manche Trüffelzüchter gießen ihre Bäume, davon hält Alain Prat aber nichts. „Dann gibt es vielleicht mehr Trüffeln, aber die Bäume produzieren nicht so lange“, meint er.
Wie Schatzsuche
„Warte, Lilou. Ich muss sie bremsen, damit sie die Trüffel nicht beschädigt.“ Dieses Mal müssen Herrchen und Hündin deutlich tiefer graben, bis sie fündig werden. Alain Prat ruft Lilou immer wieder zur Hilfe, sie hat offenbar etwas gewittert, doch von einer Trüffel ist nichts zu sehen. Mann und Hund arbeiten sich Zentimeter für Zentimeter vor, Lilou mit den Vorderpfoten, Alain Prat mit seiner Hacke. Zwischendurch hält er sich das Blatt der Hacke unter die Nase. Die Erde riecht nach Trüffel, es muss hier etwas geben. Tatsächlich – in rund 20 Zentimetern Tiefe findet er die Knolle, auch diese eher klein, entfernt Steinchen und die sandige Erde und schüttet das Loch wieder zu.
Es ist ein bisschen wie Schatzsuche. Nie kann man im Voraus sagen, ob man Trüffeln findet. Und schon gar nicht, wie viele. Oberirdisch verrät die Trüffel kaum etwas von ihrer unterirdischen Existenz. Schlimmer noch: Sie täuscht eine vor, wo gar nichts ist. Alain Prat zeigt auf kahle Kreise rund um den Stamm der Trüffelbäume, wo kein einziger Grashalm wächst.
Davon gibt es viele in der Baumplantage. Ein Zeichen dafür, dass der Pilz unterirdisch als fadenförmiges Geflecht existiert und eine Symbiose mit dem Baum eingegangen ist. Ob der Pilz aber eine Frucht entwickelt – eine Trüffel – ist völlig ungewiss. Bis heute weiß man nicht, wie diese Fruchtbildung wirklich vonstatten geht. Deshalb ist es unmöglich, Trüffeln anzubauen.
Und es dauert Jahre, bis etwas passiert. Wenn es ganz schnell geht, muss man bei geimpften Bäumen nur sieben Jahre warten, bis sich Trüffeln entwickeln. Realistisch seien aber eher 15 bis 20 Jahre, meint Alain Prat. Die Baumplantage, auf der er mit Lilou unterwegs ist, haben er und sein Vater vor rund 35 Jahren angelegt. Hier sind früher auch schon Trüffeln gewachsen, doch als die alten Steineichen aufhörten, Trüffeln zu produzieren, haben Alain Prat und sein Vater den Boden gerodet, damit der Trüffelhain lichter wird, und neue Steineichen gepflanzt.
Dramatischer Rückgang
Um von einem Trüffelfeld zum anderen zu kommen, geht es durch den Wald. Er ist zugewachsen, auf dem Boden verrotten Baumstämme, das Unterholz ist dicht. Alain Prat zeigt nach oben auf eine große Pinie. „Die Pinien breiten sich aus und ihre Nadeln übersäuern den Boden“, erklärt er. Schlechte Voraussetzungen für Trüffeln, die den Wechsel von Sonne und Schatten brauchen, einen kalkhaltigen und nicht zu sauren Boden. „Früher wurden in den Wäldern Viehherden gehalten, dadurch waren sie lichter“, erzählt er. Die Bauernwälder, in denen auch Holz geschlagen wurde, die bewirtschaftet wurden, waren gut für die Trüffeln.
Die Wälder gibt es nicht mehr, genauso wie es kaum noch Trüffeln gibt, die nicht aus Baumplantagen mit geimpften Bäumen stammen. Überhaupt ist die schwarze Trüffel dramatisch zurückgegangen. Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Frankreich noch zwischen 1.000 und 2.000 Tonnen jährlich aus dem Boden geholt, heute sind es zwischen 30 und 50 Tonnen.
Ein Stück den Hang hinunter liegt ein Feld mit alten Steineichen, die nicht mit Sporen geimpft wurden. ,,Weil ich hier hin und wieder noch Trüffeln finde, lasse ich die Bäume stehen'‘, sagt Alain Prat. Der pensionierte Lehrer und ehemalige Bürgermeister seines kleinen Wohnortes ist nicht auf jede Trüffel angewiesen. Es gibt gute und schlechte Jahre und planen kann man Trüffelzucht ohnehin nicht.
Für ihn, wie für die meisten anderen, ist es ein Nebenerwerb, und wie viele Trüffelzüchter seiner Generation hat er es von seinem Vater gelernt und übernommen. Der ging bis zum Ende seiner Tage auf Trüffelsuche, als er längst mit aller anderen landwirtschaftlichen Arbeit aufgehört hatte. Befragt nach seinen Kindheitserinnerungen an Trüffeln, erzählt Alain Prat von Weihnachtsgeflügel, das mit 500 Gramm Trüffeln gefüllt war, und ein Haus, auf dessen Türschwelle einem schon der erdige und eine Spur nussige Duft von Trüffeln umgab.
„Heute muss ich meinen Kühlschrank weit öffnen, um das zu riechen.'‘ Für 500 Gramm Trüffeln muss man heute 500 Euro hinlegen. 1971, als sich die Trüffelzüchter im Departement Gard zu einem Verband zusammenschlossen, um unter anderem gegen den Rückgang der schwarzen Trüffel anzugehen, kostete das Kilo 300 Francs, rund 50 Euro, erinnert sich Alain Prat.
Lilou ist wieder fündig geworden, dieses Mal ist die Trüffel ein bisschen gebogen. Das gibt es selten, in dem sandhaltigen Boden entwickeln die Edelpilze meistens eine schöne runde Form. „Sie riecht aber sehr gut“, bemerkt Alain Prat. Ob sie wirklich reif ist, wird er später feststellen, wenn er die Trüffel gebürstet und leicht angeschnitten hat. Sie muss innen dunkel sein und von feinen, weißen Äderchen durchzogen.
Vierhundert Gramm Trüffeln wird Alain Prat heute aus dem Boden holen, kein schlechter Tag, aber auch kein besonders guter. Im Jahr davor habe er das Fünffache an Trüffeln gefunden, erzählt er. Die Hitze und Trockenheit des Sommers haben den Trüffeln geschadet. Am nächsten Tag werden sie wieder losziehen, Lilou vorneweg, Alain Prat hinterher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!