Trivial Pursuit: Die Elbphilharmonie: Es geht voran, irgendwie
Nach Monaten des Stockens und der Streitereien soll das Konzerthaus am Hamburger Hafen nun weitergebaut werden. Vielleicht - denn sicher ist das nicht. Die taz beantwortet die wichtigsten Fragen
HAMBURG taz | Nach dem Ablauf zweier Ultimaten, etlichen Verzögerungen, Klagen und mehr oder weniger öffentlichen Anfeindungen haben die Stadt Hamburg und der Baukonzern Hochtief sich auf einen Neuanfang geeinigt: Die Elbphilharmonie soll weitergebaut werden und die Kommunikation unter den Beteiligten besser werden. Soll. Die wichtigsten Fragen haben wir – nebst Antworten – zusammengetragen.
Warum stockt der Bau seit acht Monaten?
Weil sich der Baukonzern Hochtief weigert, das Dach des großen Konzertsaals abzusenken. Ohne das kann nicht weitergebaut werden, weil darauf Pfosten des darüber liegenden Gebäudeteils ruhen sollen. Grund für die Weigerung: Hochtief befürchtet, dass die Statik nicht hält und will deshalb zusätzliche Stahlstützen anbringen, die die Stadt zahlen soll. Die Stadt dagegen hält die Statik für sicher, will Hochtief aber nicht die entsprechenden Pläne geben und für Zusatz-Stützen zahlen schon gar nicht.
Wie fand die Stadt den Stillstand?
Gar nicht gut. Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) forderte mehrmals: „Keine Spielchen mehr“, und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) stellte Hochtief zwei Ultimaten für die Absenkung des Dachs. Andernfalls wollte er den Vertrag kündigen und die Elbphilharmonie durch die städtische Realisierungsgesellschaft zu Ende bauen lassen. Das erste Ultimatum verstrich zum 31. Mai ohne Wirkung, das zweite – bis zum 4. Juli – war erfolgreich: Hochtief will jetzt weiterbauen.
Was ist jetzt anders als vorher?
Hochtief baut das Dach auf eigene Verantwortung zu Ende. Der Konzern kann also nach Gutdünken Zusatz-Stützen einbauen. Die Stadt mischt sich nicht ein, – zahlt aber auch nicht dafür.
Und wenn das Dach doch nicht hält?
Um das gegebenenfalls rechtzeitig zu bemerken, wird während des Absenkens ständig die Lastenverteilung gemessen. Sollte es irgendwo knirschen, informiert Hochtief die Stadt und trifft Verstärkungsmaßnahmen, die dann aber die Stadt bezahlen müsste – schließlich hält sie die Statik ja für unfehlbar.
Welche neuen Termine gibt es?
Hochtief wird die Gebäudehülle – Fassade und Dach – bis Juli 2013 fertig bauen. Die Gesamt-Elbphilharmonie soll im August 2015 fertig sein, das wäre fünf Jahre später als ursprünglich geplant.
Bekommt Hochtief zur Belohnung fürs Weiterbauen frisches Geld von der Stadt – so wie 2008, als 30 Millionen „Einigungssumme“ flossen?
Nein. Die Stadt stellt Hochtief im Gegenteil 40 Millionen Euro Strafzahlung wegen zweijährigen Bauzeitverzugs in Rechnung. Hochtief seinerseits wird vermutlich rund 100 Millionen Euro Mehrkosten einfordern, die aber noch nicht konkretisiert wurden. Welche davon gerechtfertigt sind, klärt ein Schiedsgericht, auf das sich Stadt und Hochtief jetzt geeinigt haben.
Was sagen eigentlich die Architekten Herzog & de Meuron zu dem neuen Deal?
Offiziell gar nichts. Insgeheim finden sie ihn aber bestimmt gut, weil ihr Renommier-Projekt jetzt doch noch in absehbarer Zeit zu Ende gebaut wird.
Damit das leichter geht, werden sie künftig ihre Pläne nicht mehr über die städtische Realisierungsgesellschaft an Hochtief weiterleiten, sondern direkt. Das ist auch deshalb gut, weil Hochtief wiederholt klagte, um weiterbauen zu können, fehlten Architektenpläne. Das müssen die beiden künftig untereinander austragen. Damit das möglich ist, muss der bestehende Vertrag zwischen der Stadt und Hochtief geändert werden.
Nochmal zur Sicherheit: Ist die soeben erzielte Einigung rechtsverbindlich?
Nein, Bauherrin und -konzern haben sich nur auf „Eckpunkte für eine Neuordnung“ geeinigt. Damit diese juristisch verbindlich wird, muss der Vertragstext teils geändert, teils ergänzt werden.
Was ist, wenn Stadt und Hochtief sich nicht auf einen neuen Vertragstext einigen können?
Dann drohen weitere Verzögerungen. Das Zittern um die Elphi-Fertigstellung ist also noch nicht zu Ende.
Was sagt eigentlich der 2007 engagierte Intendant der Elbphilharmonie, Christoph Lieben-Seutter, zu alldem?
Er nimmt es inzwischen mit Humor und plant für keinen fixen Eröffnungstermin mehr. Seine seit drei Jahren laufende Reihe „Elbphilharmonie-Konzerte“ findet derweil in der Laeiszhalle – der früheren Hamburger Musikhalle –, auf der Experimentierbühne Kampnagel, in Clubs und Schulen statt. Und: Je später die Elphi kommt, desto mehr Zeit hat der Intendant, ein Abo-Publikum zusammenzubekommen.
Wie findet die Öffentlichkeit das alles?
Die ist längst ermattet und schreckt allenfalls hoch, wenn von Verteuerungen in dreistelliger Millionenhöhe die Rede ist. Abgesehen davon: Das Etikett „Elite-Projekt“ klebt fest. Andererseits ist die halb fertige Ruine längst ein Insignium von Lächerlichkeit und städteplanerischem Größenwahn geworden. Oder auch zum geflügelten Wort: Immer öfter ist inzwischen vom „Elphi-Effekt“ die Rede, wenn sich irgendwo ein öffentliches Projekt verteuert.
Wird die Elbphilharmonie eigentlich das „Haus für alle“, von dem Politiker gerne reden?
Offiziell schon, und es wird ja auch Eintrittskarten zu moderaten Preisen geben. Wie viele Menschen allerdings zeitgleich auf die verwinkelte Plaza zwischen Sockel und Oberbau passen – und ob da jeder sofort drauf kann, wenn er will, wird sich zeigen müssen.
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