■ McCASH FLOW: Trittbrettfahrer
Seit Mitte Juni der Börsenbrief 'Effectenspiegel‘ einen anonymen Leserbrief über Unregelmäßigkeiten im Optionsscheinhandel der Deutschen Bank abdruckte, hat auch die deutsche Börse einen deftigen Insider-Skandal. Am Montag wurde ein für den Optionsscheinhandel zuständiger Abteilungsdirektor beurlaubt — er und andere Börsenhändler der Deutschen Bank waren in dem Leserbrief beschuldigt worden, internes Wissen ausgenutzt und die Gewinne daraus nicht versteuert zu haben. Der Frankfurter Steuerfahndung, die in diesem Fall ermittelt, hat die größte deutsche Geschäftsbank nach eigenen Angaben „alle zur Zeit vorliegenden Erkenntnisse übermittelt“. Danach stehe fest, daß die anderen Beschuldigten, darunter der im Vorstand der Bank für das Börsengeschäft zuständige Rolf E. Breuer, „keinerlei derartige Geschäfte getätigt haben“.
Die „Geschäfte“ sind so alt wie die Börse selbst: Der Börsenhändler, der als Makler zwischen Angebot und Nachfrage vermittelt, nutzt sein Wissen zu Vorkäufen aus. Liegt ein größerer Kaufauftrag für eine bestimmte Aktie vor, deckt sich der Händler auf seinem Privatdepot erst einmal selbst ein. Erst danach wickelt er den Großauftrag ab, der die Kurse dann erst nach oben treibt — zu Spitzenpreisen werden sodann die gerade erst erworbenen Aktien dem Kunden wieder verkauft — und die Differenz streicht der Händler ein. Betroffen von derartigen Manipulationen sind nicht nur Großanleger — auch eine geballte Anzahl von Kleinaufträgen, die bei einer Bank an einem Tag vorliegt, kann ausgenutzt werden: Kleinanleger, die sich wundern, daß ihr Auftrag merkwürdig oft zum schlechtesten Tageskurs ausgeführt wurde, dürfen durchaus den berechtigten Verdacht hegen, von Insidern der Großbank ihres Vertrauens geleimt zu werden. Jeder Börsenzug hat ein Trittbrett — und darauf springen nicht nur die Händler der Deutschen Bank.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen