: Trick mit den Gardinen durchschaut
■ Leerstehende Wohnungen in der Oderberger Straße besetzt
Nicht hinter jeder Gardine am Fenster und jedem Namensschild an der Wohnungstür verbirgt sich ein Mieter. Darauf hat gestern eine Gruppe von zehn wohnungssuchenden Frauen aufmerksam gemacht. Sie besetzten die leerstehenden Wohnungen im Vorderhaus der Oderberger Straße 46 in Prenzlauer Berg. Über die Hälfte der Wohnungen stand seit längerem unbemerkt leer.
Eigentümer des Gebäudes ist nach Angaben der Besetzerinnen seit 1994 ein 24jähriger Bottroper, der seine drei Häuser in Prenzlauer Berg nach der Methode vermarkte: kaufen, leer ziehen, verkaufen. Daß der Trick mit den Gardinen und Namensschildern funktionierte, zeigt auch das späte Erwachen im Bezirksamt Prenzlauer Berg. Trotz des seit Monaten andauernden Leerstands hatte die Arbeitsgruppe Leerstand der Bezirksverwaltung das Gebäude erst in der vergangenen Woche in Augenschein genommen. Bewohner hatten auf den Leerstand hingewiesen. Das Ergebnis der bezirklichen Arbeitsgruppe: Der Leerstand ist nicht genehmigt. Weitere Schritte wurden nach Angaben der Besetzerinnen allerdings noch nicht eingeleitet.
„Das Besondere an der Besetzung“, sagte gestern eine Besetzerin zur taz, „ist, daß wir uns mit den jetzigen Mietern und Mieterinnen zusammen um das Haus kümmern wollen.“ Diejenigen Bewohner, die die Entmietung des Bottroper Jungeigentümers nicht widerstandslos hinnehmen wollen, haben sich inzwischen mit der Initiative „Wir bleiben alle“ (WBA) zusammengetan.
Gestern abend fand bereits ein Hoffest statt. Polizei und Eigentümer ließen sich bis Redaktionsschluß nicht vor dem Haus sehen. Am morgigen Donnerstag soll in der Kiezkantine in der Oderberger Straße 50 der Runde Tisch tagen. Eingeladen sind sowohl der Eigentümer als auch das Bezirksamt, Parteienvertreter und der Sanierungsträger S.T.E.R.N. Dann werden die Besetzerinnen mit Nachdruck darauf verweisen, daß ihnen Mietverträge in der Schublade wichtiger sind als Gardinen vor den Fenstern. Uwe Rada
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