Triathlon-Trainer über Ironman Hawaii: „Ich sehe jeden Pulsschlag“

Dan Lorang ist einer der erfolgreichsten Triathlon-Trainer. Er spricht über den Ironman Hawaii und die Chancen von Anne Haug, die als Titelverteidigerin startet.

Der Schnellmacher: Triathlon- und Rad-Coach Dan Lorang.

Der Schnellmacher: Triathlon- und Rad-Coach Dan Lorang Foto: imago

taz: Herr Lorang, wo erleben Sie den diesjährigen Ironman Hawaii?

Dan Lorang: Ich bin am Sonntag nach Hawaii geflogen, um das Frauen-Rennen am Donnerstag live vor Ort zu verfolgen.

Unter den Athleten häufen sich die Beschwerden, dass die Kosten für Startgeld, Flug, Unterkunft und Verpflegung explodiert sind. 10.000 Euro reichen bei vielen nicht mehr aus, um sich den Traum zu erfüllen. Und wer als Profi nicht mindestens auf Platz zehn kommt, wo es 11.300 Euro Preisgeld gibt, zahlt drauf.

Die Preise haben sich in der Tat verdoppelt. Ich habe das Glück, dass ich bei Bekannten unterkomme. Ich finde es vor allem für die Agegrouper extrem, wie viel Geld sie für die Teilnahme in den Hand nehmen müssen. Auch die Preisgelder bei den Profis stehen nicht in Relation zu den Kosten. Das ist ein großer Kritikpunkt.

Der 43-jährige Luxemburger ist einer der erfolgreichsten Trainer im Triathlon. Er betreut Jan Frodeno und Anne Haug. Er war von 2013 bis 2016 Bundestrainer, ehe er als Coach im Radteam Bora einstieg.

Die Preisexplosion hat nicht nur mit der Energiekrise zu tun, sondern vor allem damit, dass nach den ausgefallenen Rennen 2020 und 2021 jetzt fast 5.000 Triathleten starten.

Ja. Wer früh gebucht hat, konnte eine Unterkunft für 1.500 Euro pro Person ergattern. Wer relativ spät dran war, musste für dieselben Apartments 15.000 Euro für eine Woche zahlen. Ich sehe es wirklich kritisch, die doppelte Anzahl von Startern nach Hawaii zu bringen. Der Mythos lebt doch davon, dass es etwas ganz, ganz Besonderes war, dieses Rennen bestreiten zu dürfen. Warum bleibt das nicht so?

Finden Sie es gut, dass erstmals in der Geschichte des Ironman der Start der Frauen zwei Tage vorgezogen wurde?

Eher nicht. Für mich hatte es schon seinen Reiz, dass alle an einem Tag gestartet sind. Profis und Amateure, Frauen und Männer. Man muss mal abwarten, ob die Frauen in ihrem Einzelrennen am Donnerstag wirklich mehr Aufmerksamkeit generieren. Jetzt ist das schwer abzuschätzen.

Anne Haug startet als Titelverteidigerin. Sie kennen die 39-Jährige aus gemeinsamen Münchner Tagen seit 2007. Was ist von ihr am Donnerstag zu erwarten?

Ich kann auf jeden Fall sagen, dass sie körperlich und mental gut drauf ist, auch wenn es bei der Leistungsdichte extrem schwer sein wird, dieses Rennen noch einmal zu gewinnen. Sie ist bereit, alles zu riskieren. Anne hat dafür in der Vorbereitung alles gegeben.

Ist ihre Erfahrung ein Vorteil?

Sie ist 2018 Dritte geworden und hat 2019 gewonnen: Sie weiß auf jeden Fall, wie es geht, um aufs Podium zu kommen.

Ist sie besser drauf als die von Ihnen betreute und zehn Jahre jüngere Lucy Charles-Barclay, von der Sie ja auch Leistungsdaten vorliegen haben?

Es ist jedem bekannt, dass Lucy die bessere Schwimmerin, etwas stärkere Radfahrerin und Anne die stärkere Läuferin ist.

Wie oft sehen Sie eigentlich Ihre Triathleten?

Eigentlich kaum, das ist auch der große Nachteil unserer Zusammenarbeit. Ich habe Anne das letzte Mal beim Challenge Roth gesehen, vorher aber auch extrem selten. Wir ­schreiben, wir telefonieren, wir skypen – ich kann aus ihren Rückmeldungen durch unsere lange Zusammenarbeit viel herauslesen. Sobald die Athleten nach Hause kommen, laden sie ihr Training hoch: Ich sehe jede Wattzahl, jeden Kilometer, jeden Pulsschlag. Sie haben von mir einen Plan, der zu absolvieren ist – und der wird auch zu 99 Prozent erfüllt.

Diese Daten werte ich aus und gebe Feedback. Ansonsten bekomme ich immer wieder auch Rückmeldung von der Physiotherapie am Olympiastützpunkt Saarbrücken oder aus Bayreuth. Das ist natürlich nie der Idealzustand, aber die einzige Bedingung, unter der ich Triathleten überhaupt betreuen kann, weil mein Hauptjob beim Radteam Bora ist. So lange das für Anne oder Jan Frodeno in Ordnung ist, werde ich das machen.

Wie problematisch ist es im Langstrecken-Triathlon, dass seriös nur zwei volle Wettkämpfe im Jahr möglich sind. Alles ist also auf einen Tag ausgerichtet, an dem Kopf und Körper funktionieren müssen. Kann man das überhaupt trainieren?

Man kann daran arbeiten, um unter Druck auf den Punkt seine Leistung abzurufen. Wenn man allerdings mit zehn Triathleten redet, stellt man fest, dass es zehn verschiedene Wege gibt. Ich habe ehrlicherweise Glück, weil Anne, Jan oder auch Lucy alles Wettkämpfer sind: Wenn die an der Startlinie stehen, ist der Race-Modus an.

Wie viel ist bei einem Ironman Mentalität und wie viel Training?

Die Basis ist das Training. Wer seine Arbeit nicht macht, kann auch über den Kopf nicht genug abrufen.

Die Pandemie hat im Triathlon noch mehr durcheinandergebracht als in anderen Sportarten: Zwei Auflagen auf Hawaii fielen aus, bei vielen litt die Motivation, bei Anne Haug aber nicht. Oder?

Tatsächlich hatte sie weniger Probleme, weil sie das Training so liebt; sie mag diesen Prozess, an ihrem Körper zu arbeiten, um besser zu werden. Deshalb konnte Anne mit der Corona-Zeit sehr gut umgehen.

Müssen Sie Anne Haug auch dazu anhalten, mal eine Ruhepause einzulegen?

Das ergibt sich nach dem Hawaii-Rennen automatisch: Danach wird sie eine Woche lang durchatmen, nur sie würde es nicht gut finden, wenn ich ihr vier Wochen Pause gönnen würde. Sie fragt als Erste: „Kriege ich jetzt mal wieder einen Plan?“

Im Schwimmen kann man einen Ironman nicht gewinnen, höchstens verlieren. Auf dem Rad fährt kaum jemand mehr alles in Grund und Boden. Also entscheidet der Marathon. Stimmt der Trend?

Man hat jetzt mehr Wissen als früher, kann jederzeit auf seinen Wattmesser schauen. Wer einst einem Norman Stadler auf dem Rad zehn Kilometer hinterher jagte, ist bald darauf explodiert. Das riskiert keiner mehr. Auf dem Rad wird deshalb mehr taktiert als früher; man sieht oft gar nicht die Leistung, die möglich wäre, weil jeder sich über die Folgen fürs Laufen im Klaren ist. Ich erwarte weder bei den Frauen noch den Männern, dass beim Radfahren jemand richtig weit rausbricht.

Können Sebastian Kienle oder Patrick Lange die deutsche Siegesserie seit 2014 noch mal verlängern oder gibt es an diesem Wochenende die Wachablösung durch die Norweger Kristian Blummenfelt oder Gustav Iden?

Die Norweger haben faszinierende Leistungen in diesem Jahr abgeliefert. Ich kenne die beiden Jungs gut. Wenn keiner von denen krank wird, stürzt oder einen Platten hat, wird es extrem schwer, sie auf Hawaii zu schlagen.

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