Treuhand übers Ohr gehauen

Das hohe Privatisierungstempo der Breuel-Behörde rächt sich / Investor räumte erworbene Reederei als Konkurrentin aus dem Weg  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – „Wir hatten geglaubt, es sei eine schöne Privatisierung.“ Franz Wauschkuhn von der Berliner Treuhandanstalt klingt ehrlich frustriert. Nach dem Vertragsabschluß habe man sogar noch eine Flasche Sekt geköpft – schließlich gingen die Treuhandmitarbeiter davon aus, gerade Lohn und Brot für 900 Menschen abgesichert zu haben. Tatsächlich aber sind bei der Rostocker Bagger-, Bugsier- und Bergungsreederei BBB heute nur noch 80 Leute damit beschäftigt, den Laden abzuwickeln. Im nächsten Jahr sollen noch sechs bis zehn Angestellte übrig sein. Geschäftsführer und Investor sitzen inzwischen in Untersuchungshaft.

„Wir haben schon damals an die Treuhand geschrieben, daß die BBB unter den Bedingungen des Kaufvertrags in einem halben Jahr Konkurs anmelden muß“, sagt Betriebsrat Ingo Schöngraf. Auch der Aufsichtsrat habe gewarnt – umsonst.

Dabei hatte die BBB gute Überlebenschancen: Sie war immerhin das einzige deutsche Unternehmen, das Hafenzufahrten ausbaggern konnte. Im Ostseeraum kannten sich die MitarbeiterInnen, im Gegensatz zur vorwiegend holländischen Konkurrenz, gut aus. Mit dem Beginn der Marktwirtschaft gab es zwar für den einst 2.600-Frau-und-Mann-Betrieb zwar mehr Konkurrenz, aber die BBB sah im erweiterten Aktionsradius auch durchaus Chancen. So zog sie 1991 Aufträge im Hamburger Hafen und bei Strandaufspülungen in Holland an Land. „Wir hatten unsere Daseinsberechtigung in der Marktwirtschaft bewiesen und schrieben schwarze Zahlen“, berichtet Schöngraf mit wehmütigem Stolz.

Am 1. Juli 1991 bekam die holländische Firma Jan Zwagermann International die BBB von der Treuhand überschrieben, nachdem sie den ursprünglich angesetzten Kaufpreis von 3 Millionen auf 1,5 Millionen Mark heruntergehandelt hatte. Zur Vertragsunterzeichnung erschien dann ein gewisser Theodorus Danel, der sich als Beauftragter Zwagermanns ausgab. Nach Informationen des Betriebsrats konnte er zwar keine Vollmacht vorlegen, seine Unterschrift wurde aber von der Treuhand nichtsdestotrotz akzeptiert. Nun behauptet Zwagermann, er habe den Vertrag so nie gebilligt.

Der vermeintliche Investor sagte zu, daß er zehn bis zwölf Millionen Mark sofort und Sachinvestitionen von 41 Millionen Mark bis Ende 1991 in den Rostocker Betrieb einbringen wolle. „Ich habe selten eine Bonitätserklärung gesehen, die besser war als die von Zwagermann“, schwärmt Wauschkuhn. Die größte holländische Bank habe ihn als kundigen, weltmarkterfahrenen Unternehmer charakterisiert. „Und ich selbst habe beim Segeln den Namen schon öfters gesehen – das ist ja nicht irgendeine kleine Klitsche“, legt der Treuhandmann nach.

Der Betriebsrat sieht das anders. „Es war vorhersehbar, daß das nichts würde. Die Hauptinvestitionen waren eine Arbeitsplattform, die im Golf von Aden liegt und eine Hubinsel in Portugal.“ Abgesehen von der entfernten Lage der Objekte, an der sich seither auch nichts geändert hat, seien die beiden Geräte für den Rostocker Betrieb überhaupt nicht brauchbar gewesen. Es habe alles danach ausgesehen, daß die BBB als Konkurrent vom Markt verdrängt werden sollte.

Inzwischen habe sich auch herausgestellt, daß die Arbeitsplattform nur noch ein Haufen Schrott sei. „Die Treuhand hat es versäumt, rechtzeitig eine Expertise anfertigen zu lassen, ob die Investitionen tatsächlich den Gegenwert von 41 Millionen haben“, kritisiert Schöngraf.

So will Treuhandsprecher Wauschkuhn das nicht stehen lassen: „Wenn ein Stahlgerüst etwas rostig ist, sagen die Leute schnell, es sei Schrott.“ Aber auch er bestätigt, daß erst nach der Privatisierung eine Londoner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt wurde, die Geräte zu taxieren. Die kam dann angeblich zu dem Ergebnis, daß der von Zwagermann veranschlagte Wert zutraf. Tatsächlich steht aber inzwischen fest, daß die Geräte höchstens 19 Millionen Mark wert sind. „Wir sind auf ganzer Linie geleimt worden“, meint Wauschkuhn. Aber es sei völlig sinnlos, gegen Sachverständigenurteile vorzugehen: „Die kriegen Sie nie ran.“

Die Vorwürfe des Betriebsrats gegen die Treuhand aber gehen noch weiter. Die Behörde habe erst nach dem Vertragsabschluß erzählt, daß es einen weiteren Interessenten gegeben habe: die Bremer Urag, die zusammen mit einem holländischen Partner einsteigen wollte. Deren Konzept hätte der Betriebsrat bessere Chancen eingeräumt. Allerdings wären noch einige Wochen Verhandlungszeit vonnöten gewesen. „Die Treuhand hat ein fürchterliches Tempo angeschlagen – auf Teufel komm raus sollte so schnell wie möglich alles privatisiert werden“, erinnert sich Reinhard Dankert vom DGB in Rostock.

Ab Mai 1992 erhielten die ArbeiterInnen und Angestellten der BBB keinen Lohn mehr. BBB-Geschäftsführer Dieter Borchers versuchte noch, das Aus durch Stützungsmittel des Landes Mecklenburg-Vorpommern hinauszuschieben, die er angeblich für Investitionen ausgeben wollte. Aber wenig später war die Pleite offensichtlich. Im August beantragten die AOK- Rostock und die Oberfinanzdirektion das Gesamtvollstreckungsverfahren. Jetzt ermittelt der Oberstaatsanwalt von Rostock wegen mehrfachen Subventionsbetrugs, Betrugs und Untreue.

Inzwischen scheint sicher, daß der Kaufpreis für die BBB vom Konto der Firma selbst bezahlt wurde. Indem sie die weit entfernte Hubinsel und die Arbeitsplattform als Sicherheiten angaben, konnten Zwagermann und Borchers außerdem nicht nur 9,4 Millionen Mark Subventionen vom Schweriner Wirtschaftsministerium erschwindeln, sondern auch die Stundung von Steuern in Millionenhöhe und einen 12-Millionen-Kredit von der Dresdner Bank. Das vermutet Oberstaatsanwalt Slotty.

„Wir haben von Anfang an gewarnt“, so Schöngraf. Den Betrug aber hatte natürlich auch der Betriebsrat nicht vorhergesehen – und ohne die Pleite der BBB wäre er vielleicht auch nach wie vor nicht aufgeflogen. „Beim zuständigen Treuhand-Direktorat arbeiten 12 Leute plus Sekretärin. Die können doch nicht alles in der Praxis überprüfen, zumal die BBB zu den kleineren Betrieben zählte und es in der Zeit um die ganze Werftenprivatisierung ging“, rechtfertigt Wauschkuhn die Tatsache, daß bis zum Spätsommer 1992 keinerlei Verdacht aufkam. „Wir fielen aus allen Wolken.“