Trendsport Slacklinen: Fuß vor, Arm raus
Das Slacklinen hat die Stadtparks erobert. Neben den unzähligen Gelegenheitsslacklinern gibt es auch solche, die regelmäßig balancieren.
Daniel stellt seinen linken Fuß aufs Seil, dann muss er sich mit dem rechten nicht vom Boden abstoßen. Es hebt ihn auch so hoch. Sssst. Dann bewegt sich das Seil sanft hoch und runter. Das Seil heißt „Line“ und die Sportart „Slacklinen“ und ob es tatsächlich eine Sportart ist, ist fraglich. Hier sicher nicht.
Im Hamburger Wohlerspark spielen Kinder und Mamas tätscheln ihren Säuglingen den Hintern, kitzeln sie an den Fußsohlen, geben ihnen Kekse. Die Kleinen wissen nicht, dass sie auf einem ehemaligen Friedhof sind, und wir, wenn wir ihnen zugucken, vergessen es. Im Wohlerspark liegen dänische Soldaten, die im deutsch-dänischen Krieg 1864 fielen. Die Umwidmung zu einem Park kam im Jahr 1977.
Zurück zu Daniel, 30, der heute frei hat, sonst wäre er so früh am Nachmittag nicht hier. Freier Oberkörper, dreiviertel lange Hose. „Iija“, macht Daniel, als das Seil ihn abwirft. Es schnalzt auf seinem Rücken, daher die roten Striemen. Er hat zwei Seile gespannt, eines straff, für die Anfänger, mit Baumschutz, weil die Baumrinde da einen gewissen Druck kriegt. Und ein lockeres Seil für sich selbst. Locker ist schwerer, vor allem wenn es wackelt, das wissen wir alle. Und es wackelt: Das Seil und überhaupt.
Seine Wurzeln hat das Slacklinen in den 80er-Jahren in den USA. Damals kamen Bergkletterer auf die Idee, auf einem gespannten Gurtband zu balancieren. Sie wollten sich damit in Kletterpausen die Zeit vertreiben.
Im Unterschied zum Drahtseil im Zirkus ist das Band beim Slacklinen elastisch. Zur Mitte hin wird es immer weicher und wackliger. Der Slackliner muss ständig Schwingungen ausgleichen.
Slacklinen schult die Koordination und ist ein Konzentrationstraining. Auch hyperaktive Kinder können dadurch beruhigt werden.
Für Fortgeschrittene gibt es die Varianten, immer längere Bänder zu begehen (Longline), sich hinzulegen oder von einem Band auf ein anderes zu springen.
Eine Einsteigerausrüstung kostet ungefähr 50 Euro.
Arne, 30, balanciert auf einem dritten Seil, jongliert mit kleinen bunten Bällen. Den Körper mit so vielen Unsicherheiten konfrontieren, bis man mit der Birne nichts mehr ausgleichen kann, sondern sich dem Körper anvertrauen muss, der alles von selbst macht. Darum geht es hier.
„Wir sind so 30 Slackliner in Hamburg, die es regelmäßig machen“, sagt Daniel, „die so ab und mal laufen, das sind Tausende.“ Linker Fuß vor, rechter Arm raus, die Muskeln am Rücken arbeiten und gleichen die Bewegungen des Seils aus. Es geht mit und gegen das Seil, rechter Fuß vor, linker Arm raus. Manchmal versetzt Daniel das Seil ins Pendeln. Dann geht es weit links und rechts raus und irgendwann steigt er ab. Sichere Landung ganz wichtig.
Dumpfes Tuten, das ist der Hafen. Daniel geht ein bisschen auf dem straffen Seil und springt von dort aufs lockere. Das sieht schon ziemlich gut aus. Einer mit Rastalocken ist auf dem Seil von Arne. Die Seile, wenn sie mal gespannt sind, gehören allen. Muss man halt mal warten, wenn ein anderer drauf will.
Dann sind Timo und Malina dran. Timo, auf sicherem Boden, Malina an seiner Hand. Malina zittert so, dass Timo mitzittert. Der mit den Rastalocken hüpft ins Gras, holt seinen Hacky Sack raus und zwei Jungs und ein Mädchen lassen den kleinen Ball tanzen.
“Wir sind mal hier, mal im Volkspark, mal auf der Moorweide“, sagt Daniel und holt sein Seil ein. Auf der Moorweide slacken sie manchmal über den Köpfen der Fußballer. Heute zieht Daniel „Richtung Volkspark weiter“.
Jan, der um die Ecke wohnt, kommt mit seinem Vater, und geht einmal über Arnes Seil. „Hast dich erholt vom letzten Mal?“, fragt Arne. Jan nickt. Er kommt ziemlich oft her. Das Slacken hat es ihm angetan.
Leichter Wind kommt auf. Eine alte Frau im Rollstuhl wird über die Wege geschoben. Die Mamas mit ihren Kleinen packen ein. Der Kleine, der vorher gekitzelt und auf den Hintern getätschelt wurde, schreit. Die Mama geht ein bisschen mit ihm um die Gräber.
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