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Trauriges Kasperlteam

■ Der Tabellenletzter der Bundesliga, Hertha BSC, verliert nun auch im DFB-Pokal: 1:2 gegen Zweitliga-Spitzenreiter MSV Duisburg

Charlottenburg. Das ist doch was! Bei allem Trübsinn bleibt doch die Feststellung, daß Hertha BSC immer für eine Überraschung gut ist. Mit der Niederlage gegen den MSV Duisburg in der zweiten Runde des DFB-Pokals haben sich die Berliner vor 7.343 bestürzten Zuschauerinnen und Zuschauern gleich zwei Späßchen erlaubt. Das eine in sportlicher, das andere in finanzieller Hinsicht, was im folgenden kurz zu erläutern ist.

Tja, das sportliche; bei den Herthanern den Superlativ zu benutzen, empfiehlt sich nicht, schließlich ist die Mannschaft fähig und scheinbar auch willens, für ihren bisher gezeigten Minus-Kick neue Bestmarken nach unten zu setzen. Erreicht wurde es diesmal durch einen kompakt gelieferten Ausdruck an Unfähigkeit, Lustlosigkeit und Blödsinn vor allem in der ersten Halbzeit. In schöner Deutlichkeit zu sehen an Mike Lünsmann, der Gegenspieler Mariotti ruhig hinterhertrabte und interessiert dessen vorbereitender Flanke zuschaute, die Schmidt in der 30. Minute zum 1:0 für den Zweitligisten ins Berliner Netz setzte; oder vielleicht Theo Gries und Michael Jakobs, die entspannt neben Lothar Woelk standen, als dieser das zweite Duisburger Tor köpfte (41.); oder vielleicht »Torte« Gowitzke, zu dessen Spielbeschreibung diesmal der Mittelteil seines Namens ausreicht.

Und dabei hatte Trainer Werner Fuchs vorher so schön versucht zu motivieren, indem er den Unterschied zwischen dem Letztem der Liga Eins und dem Ersten der Liga Zwei klargestellt haben wollte. Das Ergebnis war eindeutig und jetzt hat es wohl auch Fuchs gemerkt, der, nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, langsam die Faxen dicke hat mit seiner Kaspermannschaft. »Zu viele individuelle Fehler«, urteilte der geplagte Hertha-Coach, »wir haben Probleme, wenn wir das Spiel machen müssen.« Nur Walter Junghans hielt erneut hervorragend, sonst wäre die Blamage noch schlimmer geworden. Sauer war der Hertha- Keeper trotzdem: »Eine Katastrophe, was wir in der ersten Halbzeit geboten haben.«

Erstaunlich, daß die Duisburger in jeder Hinsicht überlegen waren. Schließlich gehen die Leistungsträger des Teams schon tapfer auf die vierzig zu. Und trotzdem flitzte Ewald Lienen (37), letztes Relikt aus glorreichen Gladbacher Zeiten und seltener Beweis, daß Fußballer nicht doof sein müssen, den Hertha-Teenies permanent davon, köpfte Woelk (36) das entscheidende Tor, sorgte der entspeckte Tönnies (31) für ordentlich Verwirrung und zu guter Letzt ließ Heribert Macherey an seinem 36. Geburtstag nur ein Tor zu, einen abgefälschten Verlegenheitsschuß von Gries in der 61. Spielminute.

Am Schluß ärgerten sich die Duisburger sogar über die ihrer Meinung nach völlig unzureichende Torausbeute. Ewald Lienen: »Fünf bis sechs Tore hätten wir schießen müssen.« Und Trainer Willibert Kremer hatte eine schlüssige Erklärung für die Dominanz seines Teams: »Wir spielen gerne Fußball.«

Danach sah es bei den Herthanern nicht aus, aber noch schlechter als die sportliche ist die finanzielle Situation. Knapp 200.000 DM hatte Manager Wolter aus Pokaleinnahmen kalkuliert, nach dem frühen Ausscheiden bleiben 100.000 weniger als geplant, die sich zu den mehr als drei Millionen Mark Verbindlichkeiten dazugesellen. Trotz des bisher übertroffenen ZuschauerInnenschnitts stimmt die ganze Kalkulation nicht, selbst wenn bisher weniger Punkt- Prämien als geplant bezahlt werden mußten. Trainer Fuchs: »Schon aus wirtschaftlichen Gründen war es für uns wichtig, die nächste Runde zu erreichen, was einige in der Mannschaft wohl nicht begriffen hatten.« Also: Genügend Gründe für prima Krach oder eine nette Krise gibts bei den Herthanern, aber auch einen Hoffnungsschimmer, die Spieler bewiesen nämlich, daß ihnen der Ernst der finanziellen Lage bewußt ist: sie verzichteten von vornherein auf die Siegprämie dieses Spiels. Schmiernik

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