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■ StandbildTrauriger Fels

„... und sonntags auf den Drachenfels“. Dienstag, 22.45 Uhr, WDR

Mit 19 Stundenkilometer zuckelt die alte Zahnradbahn hoch auf Europas einst meistbestiegenen Berg, den Drachenfels. Der Sage nach hauste dort in einer Höhle der Drache, in dessen Blut Jung Siegfried badete, weil es Unverwundbarkeit verhieß. Wegen eines Lindenblatts wurde aus der Sache schließlich nichts.

Der böse Hagen tritt heute in Gestalt des modernen Freizeitverhaltens auf. Die Touristenströme ziehen achtlos zu anderen Orten. Niemand will mehr auf einem Esel reiten, und die Kuckuckspfeife, die Souvenirhändler Heinz Klöhs seit über 50 Jahren im Sortiment hat, ist ein Ladenhüter. Die jetzt noch kommen, verstehen sich nicht einmal mehr darauf, die schöne Aussicht ins Rheintal zu genießen. Lauter flüchtige Blicke aufs Panorama – falsche Sonntagsausflügler am richtigen Ort. Der Tourismus am Drachenfels hat allen Modernisierungsversuchen getrotzt, sagt die Stimme aus dem Off, und der Schriftsteller Jörg Pauly, der hier ein Lokal übernommen hat, spricht von „Berggefühl“ und deutscher Seele. Der in Stein gehauene Drache hat lange vor Jurassic Parc Moos angesetzt. Den Charme des Altmodischen beschwört der Pächter des überdimensionierten Restaurants aus den siebziger Jahren und bedauert, immer noch vom Massentourismus leben zu müssen. Die Kulturkritik zweiter Ordnung läßt milde die vormals bekrittelten Phänomene durchgehen. Was ewig stört, ist das Soziale. Die erlebnishungrigen Bewohner des Freizeitparks Deutschland, die zum Harley-Treffen düsen und sich am Bungee-Seil von Brücken stürzen, wissen ja nichts von den einfachen Freuden, die ein Bierkrug vom Stand des Heinz Klöhs bereit hält. Harry Nutt

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