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Traurige Aktualität

■ betr.: Verurteilung eines Pazifisten wegen Beleidigung zu 400 DM Geldstrafe

betr.: Verurteilung eines Pazifisten wegen Beleidigung zu 400 DM Geldstrafe

Im Juli wurde vor dem Landgericht Bonn in 2. Instanz gegen Guido Morlock aus Troisdorf verhandelt wegen „Beleidigung von Soldaten und Reservisten der Bundeswehr“, die er 1991 während des Golfkriegs als „Menschenmetzger“ bezeichnet hatte. Das Landgericht bestätigte ein Urteil des Amtsgerichts Siegburg, das auf 400 DM Geldstrafe plus Gerichtskosten wegen Beleidigung erkannt hatte.

Als Berater von jungen Männern, deren Gewissen vom Staat geprüft wird, wenn sie das Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 3 Satz 1 in Anspruch nehmen wollen, indem sie „Kriegsdienst mit der Waffe“ verweigern“, hatte Guido während und nach dem Golfkrieg zu Recht darauf hingewiesen, daß in diesem von der zensierten Berichterstattung als „chirurgische Eingriffe“ bezeichneten Krieg mehr Alte, Frauen und Kinder getötet und verstümmelt wurden als Soldaten. [...] Und weil dies Töten von Menschen unentwegt an vielen Stellen auf der Welt geschieht, auch vor den Toren Europas in Ex- Jugoslawien, hat das Thema eine entsetzlich traurige, höchste Aktualität, für uns alle.

Warum nur sehen die Machthaber, Kriegsherren und der größere Teil unserer menschlichen Gesellschaft diese Wahrheit nicht? Ist denn ganz vergessen, daß zum Beispiel Papst Benedikt XV. den Weltkrieg schon 1915 als „grauenhafte Schlächterei“ brandmarkte, daß überall das Wort „Schlachtfeld“ gebraucht wird, daß die „Völkerschlacht“ bei Leipzig in Geschichtsbüchern steht? Diese Zitate lassen sich noch lang fortsetzen.

Übrigens weist Guido mündlich und schriftlich darauf hin, daß er das Wort „Menschenmetzger“ heute nicht mehr verwenden würde, denn der Metzger muß laut Gesetz das betäubte Tier schnell und schmerzfrei töten, während im Krieg Menschen unbetäubt langsam und qualvoll sterben oder verstümmelt werden.

Guido hat in seinen Prozessen klar betont, daß er Soldaten der Bundeswehr nicht persönlich beleidigen will, sondern daß er die Wahrheit über alle Soldaten der Welt sagt, damit darüber nachgedacht wird. Soll denn auf Gewalt nur mit Gewalt und Töten reagiert werden, oder gibt es andere, bessere Wege zur Konfliktlösung?

Ich fordere Freispruch für Guido Morlock. Herta Kypke, Bonn

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