: Traumpossen, Tricks und Tanderadei
Borussia Mönchengladbach – MSV Duisburg 4:1 / Die Gladbacher wirbelten den Aufsteiger erstmals kräftig durcheinander, schossen aber meist freundlich am Tor vorbei ■ Vom Bökelberg Holger Jenrich
Wer dachte, jetzt sei er bös, der Ewald Lienen, wurde 20 Minuten nach der 1:4-Klatsche seiner Zebras am Gladbacher Bökelberg eines Besseren belehrt. Gutgelaunt saß er da vor der Journalistenmeute, spottete herzallerliebst über die ungelenke Sponsoren- Huldigung des heimischen Conférenciers und zeigte sich geradezu erleichtert über die erste Saisonniederlage nach zehn erfolgreichen Begegnungen. „Jetzt fragt wenigstens niemand mehr, wann wir denn zum ersten Mal verlieren“, glaubt der Duisburger Coach mit einem Schlag alle Quälgeister und den verdammten Erfolgsdruck los zu sein.
Ähnlich befreit dürfte sich sein Kollege Bernd Krauss nach dem überzeugenden Aufgalopp seiner Fohlen gefühlt haben – nach der chronischen Erfolglosigkeit der vergangenen Wochen hatte man seinen Trainerstuhl bereits mit der Kreissäge oder zumindest mit dem Fuchsschwanz bedroht. Dank des beträchtlichen Wirbels des „Mein Freund ist Ausländer“-Sturmduos Dahlin/Salou kann sich der vom Glücksritter zum Pechvogel mutierte Fußballehrer jetzt erst einmal zurücklehnen und für die Abschlußprüfung zum Trainer-Abi büffeln. In den kommenden Tagen fragt ihn wohl niemand mehr, wann seine Jungs denn das nächste Mal gewinnen.
Eine neuerliche Niederlage nämlich stand für die Borussia zu keiner Minute zur Debatte. Ihres weizenblonden Vorsängers und Leithammels „Heino“ Weidemann verletzungsbedingt beraubt, dilettierte der ansonsten durchschlagskräftige Sturm der Duisburger doppelt bzw. dreifach. Das internationale Terzett Reinmayr (Österreich), Jacobsen (Norwegen) und Közle (Bayern) erschreckte Rückkehrer Kamps zwischen den Gladbacher Pfosten ganze zwei Mal in 90 Minuten. Beim ersten Mal stand's noch 0:0 und Kamps durfte parieren, beim zweiten Mal bereits 4:0 und Közle durfte treffen. Die 83 Minuten zuvor durften statt dessen die Gladbacher Angreifer zeigen, was sie draufhaben – und vor allem, was nicht.
Gegen eine überraschend oft indisponierte MSV-Abwehrreihe hätte ein Sturm vom Kaliber vergangener Borussen-Tage dem Publikum ein zweistelliges Schützenfest à la Dortmund (12:0), Schalke (11:0) oder Neunkirchen (10:0) geboten. Doch Dahlin und Salou sind nicht Laumen und Rupp, nicht Le Fèvre und Jensen und erst recht nicht Heynckes und Simonsen. Zweimal traf der Mann aus Schweden, einmal der Mann aus Togo: eine erfolgreiche und doch klägliche Bilanz, bedenkt man, wie freigebig die rheinischen Nachbarn den Jungs vom Bökelberg einen Kantersieg geradezu aufdrängten. Doch das von Stepanovic vergangene Benefiz-Woche schändlich mißachtete Gladbacher Angriffs- Duett zog es zumeist vor, die Bälle überhastet zu vergeben oder unüberlegt zu vertändeln. Die Kugel aus kurzer Distanz meterweit neben das sperrangelweit offene und leere Gästetor zu kicken – ein solches Kunststück hat in Mönchengladbach vor Bachirou Balou bisher nur Ewald Lienen in seinen glorreichen Zeiten zustande gebracht.
An die glorreichen Vorstellungen der letzten Rückrunde gemahnte die Borussia dagegen in spielerischer Hinsicht. Mit Fach war in den häufig gescholtenen Hühnerhaufen der Gladbacher Defensive der lange vermißte Hahn zurückgekehrt, mit Wynhoff in das mitunter als statisch kritisierte Mittelfeld der lange verletzte Dauerrenner. Die beiden schafften Freiräume und Sicherheitszonen, die der überzeugende Libero Hochstätter und der überragende Regisseur Pflipsen zu Traumpossen, Tricks und allerlei Tanderadei nutzten.
„Wir haben endlich gezeigt, daß wir noch spielen können“, diktierte Holger Fach dann auch zufrieden in die Reporterblocks. Eine Ansicht, der sich die arg gebeutelten Duisburger natürlich nicht anschließen konnten. Nach desolaten 90 Minuten blieb es Peter Közle vorbehalten, gewohnt unkonventionell das Wort zum Sonntag zu sprechen: „Das war eine Scheißleistung.“
MSV Duisburg: Rollmann - Westerbeek - Nijhuis, Wohlert - Schwartz, Schmidt (46. Azzouzi), Steininger, Reinmayr, Tarnat - Közle, Jacobsen (46. Preetz)
Zuschauer: 30.000; Tore: 1:0 Salou (13.), 2:0 Dahlin (30.), 3:0 Wynhoff (42.), 4:0 Dahlin (71.), 1:4 Közle (84.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen