Traum von einer linken Tageszeitung: Ohne Genossen keine taz
Die taz sollte weiter denen gehören, die sie schaffen, findet Grünen-Politiker und taz-Genosse Hans-Christian Ströbele. Er gehörte 1978 zu den GründerInnen.

Von einer linken Tageszeitung träumten wir schon in den sechziger Jahren – mit Fritz Teufel und Rudi Dutschke. Heute ist es kaum noch vorstellbar: linke Presse, freie Radios, Twitter, Facebook, Internet – all das gab es nicht. Unsere Medien waren handabgezogene Flugblätter. Und dann ab 1979 die taz.
In unserem Sozialistischen Anwaltskollektiv trafen sich ein paar Zeitungsinteressierte – eineinhalb Jahre lang vor „Tunix“. Später zogen wir mit dem „Prospekt tageszeitung“ durch die Berliner Szenekneipen, um Vorausabos zu werben. Zwanzigtausend haben wir nicht erreicht. So war die taz notorisch in Geldnot. Aber mit taz-Inis in vielen Städten hatten wir bald einen großen solidarischen Unterstützerkreis quer durch die Republik. Das war die große Chance für die taz und blieb es bis heute.
Als Jurist wusste ich aus leidvollen Erfahrungen: Wir brauchen eine Rechtsform für das Projekt. Ich bin vielen damit auf die Nerven gegangen. Ich dachte schon damals an eine Genossenschaft, aber kein Genossenschaftsverband hätte uns aufgenommen. Wir waren nicht seriös genug und für ein Zeitungsunternehmen ging das nicht.
Also gründeten wir den Verein „Freunde der alternativen Tageszeitung“. Den Namen hatte ich in Anlehnung an die „Freunde der italienischen Oper“ aus meinem Lieblingsfilm „Some like it hot“ ersonnen. Der Verein der am Projekt Mitwirkenden wurde die Holding für die diversen GmbHs und Kommanditgesellschaften bis zur Genossenschaftsgründung.
Als Kalle Ruch 1991 mit der Idee ankam, eine Genossenschaft zu gründen, war ich wenig begeistert. Aber nach dem Mauerfall wurden im Osten ständig Genossenschaften gegründet – oft aus den alten VEBs. Und plötzlich war ein Angebot für die Aufnahme der taz in einen Verband da. Einige aus der Redaktion suchten Geldgeber, um aus der taz eine „richtige“ Zeitung zu machen.
Die Alternative war: Der selbstverwaltete Betrieb wird eine Genossenschaft mit vielen solidarischen Anlegern, in der aber die Mehrheit der Mitarbeitenden letztlich weiter das Sagen haben. Denn die taz sollte weiter denen gehören, die sie schaffen. Das unterschied das Genossenschaftsmodell von der Idee, einen Investor aufzunehmen, der viel Geld gibt, aber ohne Gewinnerwartung und ohne Einflussnahme auf die Redaktion. Ich habe das immer für unrealistisch gehalten.
In der Genossenschaftssatzung haben wir sichergestellt, dass die wichtigen Entscheidungen für die taz ohne die Mitarbeitenden nicht möglich sind. Die Frage war: Klappt das, wenn für die GenossInnen so wenig Einfluss bleibt? Aber verglichen mit den Rettungskampagnen, in denen viele alle paar Jahre gespendet hatten, erhielten sie in der Genossenschaft bescheidene Rechte und Gegenwerte für ihr Geld.
Dass es einmal mehr als 11.600 GenossInnen werden, habe ich nicht gesehen. Wir hatten recht mit dieser Entscheidung. Ohne sie gäbe es die taz längst nicht mehr.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden