: Traum des Opernschmusi
■ Werner Schroeter inszeniert „Die Soldaten“ von Lenz in Köln
Diese Sprache! Absurd bis zur Häßlichkeit, zerfetzt, ausgeglüht; auf der anderen Seite von zauberhaft lyrischer Verhaltenheit und leuchtender Schwebung, borkig und kristallin.“ So schwärmte Zimmermann, der Opernmacher, von Lenzens Soldaten.
Werner Schroeter, der Opernschmusi: Läßt er die Sprache des Lenzschen Schauspiels der Soldaten nun fetzen, glühen? Er läßt sie spazierenfließen, mehr verhalten als lyrisch, mehr schwebend als leuchtend... Die Worte tröpfeln über die Rampe. Sie verwehen wie der viele Rauch um Nichts, der aus der Bühnenkiste quillt, Nebel, der allmählich die Augen verschleiert.
Lenz? Ist bei Schroeter ein langer, ruhiger Fluß, in dem die Story wie Schwemmholz treibt: aufgequollen, lahm und halb versunken. Schroeter? Liebt die echten, wirklich großen Gefühle... Auf der Bühne geraten sie ihm falsch und mickrig. All die viel behauptete Kraft aus Emotion, die kraftlos hechelnd-heuchelnd über die Rampe ruder...
Die Story: Soldaten sind dazu da, Mädchen zu erobern. Und die Mädchen sind dazu da, daß sie ihre Ehre behalten. Die Ehre ist dazu da, von den Soldaten verteidigt zu werden. Ein Teufelskreis. Schlecht sieht's für die Mädchen aus... Soldaten, die die Ehre an sich verteidigen, verteidigen selten die der Mädchen. Lenz tut sich mit einem Vorschlag hervor. Man bräuchte eine „Pflanzschule extra nur für Soldatenweiber“. Mädchen, die von Geburt an den Ehrverteidigern zur Verfügung ständen. Das hätt' den Vorteil, pflichtet ihm die Gräfin (Almut Zilcher) bei, daß die Soldaten die restlichen ehrbaren Frauen in Ruhe ließen.
Eine Hurenkaserne war Lenzens Traum. Schroeters Traum ist einer vom Opernschmusi: die Operette. Zwei Szenen gelingen ihm in zweieinhalb Stunden, summa summarum zwanzig Minuten. Operette 1: Der Kanonenschuß. Eine Kanone wird gezündet. Krach. Aus der Vorderbühne bricht die Kugel durch. Vortrefflich: Lucky Strike. Ein guter Schuß. Schroeter bräucht nun einen Donnerchor. Hat er nicht. Operette 2: Ein Harmonium schwebt vom Himmel. Ein Soldat singt, ein zweiter spielt, sie lästern über einen Großschnauz allsagenden Namens Rammler. (Doch ist's nur dazu da, Schroeters Privatporno ins Laufen zu bringen: Hübsche Buben versuchen sich zu rammeln). Schroeter bräuchte hier eine Arie, eine laute, wüste, lyrische, leuchtende. Hat er nicht, es zischelt nur.
In all das sieht man hinein wie in ein Aquarium. Sieht Haudy, Mary, Wesener, Stolzius, Desportes, Spannheim, Pirzel, Eisenhardt herumschwimmen. Fast stumm. Mit großen Augen. Warten auf Futter. Hungernd. Dann verhungernd. Die Dame, die füttern wird, ganz zum Schluß, die den Lenz erst zusammenbringt, heißt Almut Zilcher, spielt die Gräfin. Sie glüht. Sie hätte das lecke Boot, das zwei Stunden gerudert wurde, in Fahrt bringen können. Da war's schon gesunken. Arnd Wesemann
J. M. R. Lenz: Die Soldaten . Regie, Bühne: Werner Schroeter. Mit Almut Zilcher, Hansjoachim Krietsch, Karina Fallenstein, Birgit Walter. Kölner Schauspiel. Nächste Vorstellungen: 9., 14., 17., 26. Juni.
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