piwik no script img

Trauerfall im Doppelpack

Chinesische Übermacht dank Sandsack: Herzlos verhindert die neue Badminton-Olympiasiegerin Gong Zhichao die boulevardreife Vergoldung einer durch und durch dänischen Liebesgeschichte

aus Sydney MATTI LIESKE

Sie trainiert mit sechs Kilogramm schweren Sandsäcken um die Hüften gebunden, sie flitzt regelmäßig einen Berg hinauf, der bis zu 60 Grad Steigung aufweist, sie schleppt auf Reisen einen dicken Medizinball mit sich herum, den sie zur Stärkung ihres Schlagarmes durch die Gegend wirft, und dann hat Gong Zhichao noch einen besonderen Trick, um sich für sportliche Höchstleistungen zu trimmen: Sie geht den bösen Journalisten aus dem Weg.

Nach ihrem Goldmedaillengewinn im Einzel des Badmintonturniers der Olympischen Spiele gab es gestern jedoch kein Entkommen mehr für die 23-jährige Chinesin. Die Pressekonferenz war Pflicht, und so musste sich Gong in fast jeder zweiten Frage der heimatlichen Berichterstatter Vorwürfe wegen ihrer demonstrativen Medienabstinenz gefallen lassen. „Ich glaube, dafür muss ich mich jetzt entschuldigen“, sagte sie artig, „aber ich wollte meine Ruhe haben, um perfekt vorbereitet in den Wettkampf zu gehen. Und wie man sieht, hat es ja funktioniert.“ Eine Antwort, welche die Beschwerdeführer ebenso baff zurückließ wie zuvor mancher wohlplatzierte Federball ihre dänische Gegnerin Camilla Martin im mit 13:10, 13:3 souverän gewonnenen Finale.

Es ist ein erstaunliches Völkergemisch, das beim olympischen Badminton das Publikum stellt. Haufenweise Chinesen, dazu natürlich jede Menge Indonesier, deren Land das größte Kontingent an Teilnehmern für diese Sportart stellt. Mittendrin ein fröhlicher und stattlicher Pulk Dänen mit komischen Hüten und Plastikrohren in der Hand, die klappern, wenn man sie aneinanderschlägt. Den Rest der Arena füllen Australier, die vermutlich für nichts anderes Karten bekommen haben und etwas ratlos wirken inmitten des farbenfrohen asiatisch-dänischen Tohuwabohus. Die Verwirrung der Einheimischen ist dann komplett, als der chinesische Block plötzlich auch noch ein munteres „Aussie, Aussie, Aussie, oi, oi, oi“ anstimmt und anschließend in herzhaftes Gelächter ausbricht.

Grund zur Freude hatten sie genug, die Federballfans aus dem Reich der Mitte. Güldenes Metall im Mixed hatten sie bereits gewonnen und im Frauendoppel sicher, weil heute zwei chinesische Teams im Finale gegeneinander antreten. Dann durften sie Gongs Triumph feiern und hatten zuvor schon erlebt, wie Ji Xinpeng den dänischen Weltranglistenersten Peter Gade mit einem 15:9-, 1:15-, 15:9-Erfolg ins Bronzemedaillenmatch verfrachtete.

Ein bisschen zu lachen hatten auch die indonesischen Fans, die nach dem Sieg im Männerdoppel darauf hoffen können, dass ihr neuer Volksheld Hendrawan, der sich gestern im Halbfinale gegen Xia Xuanze durchsetzte, die chinesische Vormacht heute im Endspiel gegen Ji weiter ankratzen kann.

Die Dummen waren die Dänen, die sich vorher noch so lautstark klappernd und optimistisch gebärdet hatten. Ein „Double der Romantik“ wollten sie eigentlich in Sydney feiern, ist doch Camilla Martin, eine der populärsten Sportlerinnen des Landes, mit keinem anderen als Peter Gade liiert.

Aber ebenso wie zuvor ihr Lebensgefährte im Halbfinale, leistete sich Camilla Martin zu viele Fehler in aussichtsreichen Positionen, um die flinke Gong Zhichao unter Druck setzen zu können. Die nur 1,63 m große Chinesin glich den Reichweitenvorteil der elf Zentimeter größeren Dänin durch Raffinesse aus und lockte sie mit wohlgesetzten Stopp-Bällen immer wieder ans Netz, um dann lang über sie hinweg auf die Rückhand zu spielen, was Martin zu etlichen Fehlern verleitete. „Sie hat Gold verdient, sie war heute einfach besser als ich“, sagte sichtlich zerknirscht die 26-Jährige, die den ersten Satz lange offen halten konnte, dann aber die Partie schnell und deutlich verlor.

„Wenn Peter sein Match gewonnen hätte, wäre es auch nicht anders gelaufen“, wehrte Camilla Martin Spekulationen ab, dass der Zauber des romantischen Duos nach hinten losgegangen sein könnte, „wir sind Topathleten, wir konzentrieren uns auf unser Spiel.“ Aber traurig sei es natürlich schon, wenn jemand verliere, der einem nahe steht. Vor allem, das war an ihrer Miene deutlich abzulesen, wenn der Trauerfall gleich im Doppelpack daherkommt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen