Trauer: Würdige Nachwelt
Hunderte Hamburger kamen am Freitag ins Rathaus, um Abschied von der verstorbenen Loki Schmidt zu nehmen. Die Kondolenzbücher füllten sich schnell.
Am Freitag nach dem Tod von Loki Schmidt ist die Innenstadt voll mit aufgespannten Regenschirmen und hochgezogenen Schultern. Über den Rathausmarkt ziehen Graugänse in Grüppchen und die Menschen fotografieren auf ihrem Weg ins Ratshaus die Fahnen auf Halbmast, den Trauerflor und viele übersetzen leise murmelnd die lateinische Inschrift über dem Portal: "Libertatem quam peperere maiores digne studeat servare posteritas". Das bedeutet so viel wie "Die Freiheit, die erwarben die Alten, möge die Nachwelt würdig erhalten".
Die Hamburger - es sind einige Hundert - die bereits am Vormittag gekommen sind, um sich in die Kondolenzbücher für die am Donnerstag im Alter von 91 Jahren gestorbene Loki Schmidt einzutragen, sehen an diesem Tag genau wie diese würdige Nachwelt aus.
Vorbei am kleinen weißen Zettel mit der Aufschrift "Kondolenzbücher Loki Schmidt" stellen sie sich geduldig in die lange Schlange, die mit Absperrbändern quer durch die Eingangshalle des Rathauses geführt wird und an die Sicherheitskontrolle am Flughafen erinnert. Gedämpfte Gespräche, die ein oder andere Hand streichelt beruhigend über einen Rücken, berührt sacht eine Schulter.
Aber die meisten der Wartenden sind sehr gefasst, als bräuchten sie jetzt und hier keine tröstenden Gesten. Sie wirken mit gestrafften Schultern und ein wenig nach vorn gerecktem Kinn entschlossen, hier ihre Pflicht als Hamburger und Hamburgerinnen erfüllen zu wollen.
Um elf Uhr ist Christa Goetsch von der GAL die erste, die sich in die ausgelegten Kondolenzbücher einträgt. "Für mich war sie eine starke Frau, eine große Hamburgerin. Hamburg verliert eine starke Persönlichkeit", schreibt Goetsch. Und genau so sehen das hier viele. "Sie gehörte zur Stadt", sagt eine 70-Jährige, die ihre Wollmütze fest gegen ihren Bauch drückt. "Und jetzt sind all meine Gedanken bei ihrem Mann Helmut." "Das war ich ihr schuldig", sagt ein Mittvierziger in rotem Anorak, nach dem er sich ins Kondolenzbuch eingetragen und mit einer kleinen Verbeugung vor der Schwarz-Weiß-Fotografie von Loki Schmidt Abschied genommen hat.
Die Trauernden sind an diesem Tag wie eine kleine ruhige Insel im Rathaus, in dem der Betrieb um sie herum seinen gewohnten Gang geht. Eine Gruppe, die ihre Rathausführung beendet, stutzt nur kurz, als sie die Treppe herunter kommt und die Wartenden sieht.
"Ella morta, ella morta", sagt eine Italienerin im Vorbeigehen zu ihrem Mann. Und ein Kölner klärt beim Jacke anziehen auf dem Weg nach draußen seine Mitreisenden auf: "Loki Schmidt, sie rauchte viel."
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